Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
warnen. Falls wir überhaupt genug Sauerstoff haben, um es zu dritt bis dorthin zu schaffen – egal, in welchem Tempo wir laufen. Schließlich verbrauchst du deutlich mehr als wir. Teilen kommt also nicht infrage.« Inger hat auf einmal etwas fast Militärisches an sich. Er hat sogar ’ne richtig stramme Haltung angenommen.
»Wenn du weiter hinter uns herläufst, dann geht dir irgendwann die Luft aus, und dann finito«, fasst Silas zusammen.
»Mit anderen Worten: Wir stecken in einer ausweglosen Situation.« Inger klingt jetzt fast feierlich. Wahrscheinlich,weil er soeben beschlossen hat, meinem Elend ein Ende zu bereiten. Und vielleicht wäre es ja tatsächlich das Beste: Ich hab mal irgendwo gehört, dass Tod durch Ersticken die schlimmste Art zu sterben sein soll. Ich straffe meine Schultern. Silas betrachtet wieder das rot geziegelte Haus.
»Na ja, ausweglose Situation ist vielleicht etwas übertrieben«, rudert Inger zurück und führt mich nach einem kurzen Blick zum Himmel in das Gebäude, das Silas die ganze Zeit angafft.
Nach wenigen Schritten stehen wir in einem Treppenhaus mit extrem steilen Treppen.
»Los, kletter auf meinen Rücken«, befiehlt Silas. »Sonst schaffst du’s nicht bis aufs Dach.«
Ich schlucke mein letztes bisschen Stolz herunter und tue, was er sagt. Und dann trägt mich Silas huckepack die Treppen rauf, insgesamt zwölf Stockwerke hoch, das kann ich an den Türen ablesen, auf denen die Etagenzahlen markiert sind. Als uns nur noch eine Treppe von der Tür mit der Aufschrift ›Dach‹ trennt, schüttelt Silas, inzwischen selbst keuchend, mich ab. Inger drückt die schwere Feuertür auf und wir stehen plötzlich im Sonnenlicht, auf einem Dach, von dem aus man endlose Reihen verfallener Wohnblöcke und halb verschütteter Straßen sieht.
Am Horizont zeichnen sich die Umrisse riesiger Gebäude mit Kuppeln und Türmchen ab. Ich habe sie mal auf Fotos gesehen, kann mich aber nicht an ihre Namen erinnern. Wenn ich doch nur Bea oder Alina entdecken könnte, oder zur Not auch Maude! Aber in dem Labyrinthder schneebedeckten Ruinen ist keine Menschenseele zu erblicken.
Inger führt uns zur gegenüberliegenden Ecke des Daches, wo unter einer dicken, schweren, durchsichtigen Plastikplane ein Solar-Atemgerät steht. Mit einem Ruck zieht er die Plane herunter, dreht an einem Knopf des Respirators und schüttelt ihn, bis er brummend anspringt. Dann nimmt er seine Atemmaske ab und presst sich die dreckige Maske aufs Gesicht, die an dem Respirator hängt. Ein paar Sekunden atmet er tief ein und aus, dann reicht er mir die Maske.
»Hier, deine Rettungsleine.«
Ich setze meine Maske ab und ziehe die über, die Inger mir hinhält. Die Luft, die aus dem Respirator kommt, ist feucht und riecht schlicht zum Kotzen.
»Das Ding ist noch für drei Monate geladen«, erklärt mir Inger. »Aber leider ist es nicht tragbar. Ist noch eins von den alten Modellen.«
»Und wie komme ich dann zurück?«, frage ich entgeistert.
Silas scheint erleichtert, dass ich inzwischen wenigstens kapiert habe, was hier abläuft.
»Ich werde versuchen, dich zu holen. Oder ich schicke jemanden vorbei«, verspricht er.
»Wann?«
»Solange wir nicht wissen, was im Rebellenhain los ist, kann ich das nicht genau sagen.«
»Aber dann werde ich ja verhungern.«
»Ach was, wenn man Wasser hat, kann man wochenlang überleben«, beruhigt mich Inger.
»Aber ich habe kein Wasser.« Ich weiß selbst, wie verängstigt ich klinge, und gebe mir inzwischen auch keine Mühe mehr, meine Angst zu kaschieren.
»Es wird in den nächsten Tagen immer wieder schneien. Und hier oben findest du genügend Behältnisse.« Silas deutet auf ein paar Schüsseln und Eimer, die auf dem Dach verstreut herumliegen. »Die füllst du dir einfach mit Schnee.«
»Und wenn ein Fahrzeug des Ministeriums vorbeikommt, dann wirf etwas runter und ziehe deren Aufmerksamkeit auf dich. Oder winke den Zips zu. Du bist ’n Premium. Dir werden sie nichts tun. Erzähl ihnen, wir hätten dich gekidnappt oder so«, rät Inger.
Ich würde ihnen gerne hoch und heilig versprechen, dass ich die Rebellen niemals verraten werde, aber das kann ich nicht. Ich würde gerne schwören, dass ich bereit wäre, für ihre Sache zu sterben – aber wer weiß, wozu ich fähig bin, wenn ich fast verhungere und Todesangst habe?
»Ich hoffe, ihr findet sie«, sage ich deshalb nur. »Und wenn ihr sie findet, dann sagt Bea …« Ich halte inne.
»Wir kommen und holen dich«,
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