Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
paar Strähnen hinter die Ohren.
»Ehrlich gesagt bin ich’s total leid, mich jede Woche piksen zu lassen«, versuche ich es weiter. »Was war es diesmal noch?«
»Grüne Grippe.« Sie beißt in ihren Toast und deutet auf die rotierende Anzeigetafel über unseren Köpfen, auf der in Neonbuchstaben Grüne Grippe aufblinkt.
Ich lache laut auf und hoffe, sie dadurch zumindest zum Lächeln zu bringen. Funktioniert aber nicht. Sie trinkt einen Schluck Wasser und schaut mich prüfend an.
»War nicht letzten Monat Grüne Grippe dran?«, frage ich.
»Nee, das war Kupfergrippe. Lies doch einfach die Mitteilungen.«
»Das sind zu viele, da komme ich nicht mehr hinterher.«
Sie versucht mich zu ignorieren, das ist nicht zu übersehen. Aber sie ist toller als jedes Mädchen, das ich je gesehen habe, tough und geheimnisvoll, und ich will sie um jeden Preis kennenlernen, notfalls auch gegen ihren Willen. Außerdem will ich sie berühren – und ich will natürlich, dass sie mich anfasst.
»Ich blick durch all diese Impfungen nicht mehr durch. Manchmal denke ich, es wär besser, eine dieser ganzen bunten Krankheiten zu bekommen als jede Woche einen neuen Piks«, haspele ich weiter, in der Hoffnung, ein Gespräch in Gang zu bringen. Und tatsächlich: Es klappt.
Sie wirft einen schnellen Blick nach links und rechts, wischt sich mit dem Handrücken über den Mund und flüstert: »Diese Impfungen sind das reinste Gift.«
Ich nicke zustimmend und versuche fieberhaft zu verstehen,warum sie so etwas Seltsames sagt. Und anstatt mir eine coole Antwort zu überlegen, plappere ich den ersten Blödsinn daher, der mir in den Kopf kommt. »Hast du Angst vor Nadeln oder so was?«
»Nee, habe ich nicht.« Sie seufzt.
Vielleicht denkt sie, ich nehme sie nicht ernst. Keine Ahnung, warum sie gegen die Impfungen ist. Und keine Ahnung, wie ich jetzt bei ihr weiterkommen soll. Also sitze ich einfach da und starre sie an. Bis sie sich wegdreht und ihren Toast weiterisst.
»Ich stell mich vielleicht gleich noch mal an. Und du?«, frage ich.
»Nein. Ich geh nur zu einer bestimmten Krankenschwester, zu Schwester Kelly. Die macht das gut. Solltest es auch mal bei ihr probieren.« Sie steht auf.
»Wie heißt du?«, frage ich.
»Wieso?« Sie klingt gar nicht unfreundlich dabei. Ich glaube, es interessiert sie wirklich, warum ich ihren Namen wissen will.
»Nur so.« Ich zucke mit den Achseln.
»Alina«, antwortet sie, schon im Weggehen. Ihr Tablett lässt sie auf dem Tisch stehen.
Es macht keinen Sinn, ihr zu folgen, sie hat klar signalisiert, dass sie kein Interesse hat. Also futtere ich meine trockene Toastscheibe auf – und ihren Toastrest gleich mit – und gehe zurück zur Impfschlange.
Ferris und Riley sind inzwischen schon fast vor dem Schwesternbüro angekommen. Ich arbeite mich zu ihnen vor, vorbei an all den Mitschülern, die ihre gesamte Mittagspause mit Warten verbracht haben.
»Du drängelst dich doch nicht vor, oder?«, zischt Riley.
»Platz da«, sage ich und schiebe ihn mit den Ellbogen beiseite.
»Wir haben gerade Bea gesehen«, sagt er.
Ferris zieht seine Augenbrauen hoch. »Hübsches enges T-Shirt hatte sie an«, tönt er. »Weiß nicht, warum du dich bei ihr nicht ’n bisschen mehr ins Zeug legst.« Er hält die Hand vor den Mund und prustet los. Ohne zu überlegen, haue ich ihm meine Faust in den Magen, dass er zusammenklappt.
»Hey, war ’n Witz«, stöhnt er.
»Jetzt komm mal runter, Quinn.« Riley klopft Ferris auf den Rücken.
Ich schaue mich um, ob Bea noch da ist, aber ich sehe sie nirgends. Einen Moment stehe ich einfach nur da und starre auf die Milchglastür des Schwesternzimmers, dann ändere ich meine Meinung. Ich will heute keine Impfung.
ALINA
Silas ist schon zu Hause. Ich schaue ihm durch die Balkontür zu, wie er auf dem Boden hockt und ein Lavendelpflänzchen begutachtet. Er drückt die Erde um die Pflanze fest, steht auf, legt seinen Kopf zufrieden auf die Seite und geht zur nächsten Pflanze. Sechs große Kisten mit unterschiedlichen Setzlingen stehen aufgereiht auf dem Balkon. Silas ist so konzentriert, dass er das Piepsen gar nicht hört, mit dem sich erst die Innen- und dann die Außentür öffnet, als ich heraustrete.
Er schreckt hoch, als ich ihn an der Schulter berühre. »Verdammt, Alina, was schleichst du dich denn hier heran?«
»Ich schleiche nicht.«
Reflexartig schaut Silas nach links und rechts und oben und unten zu den leeren Balkons, die unseren umgeben, und bedeutet
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