Brennendes Wasser
Fan wusste von ihrer Tochter Elsie, dem hübschen sommersprossigen Mädchen, das hier ebenfalls in einem Rollstuhl über das Deck flitzte. Auf dem Gipfel ihrer Schauspielkarriere hatte Ekhart beschlossen, ihr Geld und ihre Zeit fortan in den Dienst von Kindern zu stellen, die das schwere Schicksal ihrer Tochter teilten. Die einflussreichen und betuchten Gäste, die unterdessen im Salon Dom Perignon in sich hineinschütteten, würden später gebeten werden, ihre Scheckbücher für die Ekhart Foundation zu öffnen.
Gloria Ekhart wusste, wie eine gelungene Werbeaktion auszusehen hatte, und deshalb war ihre Wahl auch auf die
Nepenthe
gefallen, als es darum ging, einen geeigneten Veranstaltungsort für die Party zu mieten. Schon als das Schiff 1930 in der Glasgower Werft G. L. Watson vom Stapel lief, gehörte es zu den elegantesten Motorjachten, die jemals die Weltmeere befahren hatten. Der erste Eigentümer, ein englischer Graf, verlor die
Nepenthe
während einer nächtlichen Pokerrunde an einen spielfreudigen Hollywood-Mogul, der zudem einen Hang zu endlosen Partys und minderjährigen Starlets hatte. Es folgte eine Reihe ebenso gleichgültiger Besitzer, und am Ende diente die
Nepenthe
sogar eine Weile als Fischkutter. Schließlich landete die verrottete und nach Fisch und Ködern stinkende Jacht in der hinteren Ecke eines Schiffsfriedhofs. Die Rettung kam in Gestalt eines Magnaten aus dem Silicon Valley, der einen Teil der für die Restaurierung erforderlichen Millionen wieder einzuspielen erhoffte, indem er die
Nepenthe
zu Anlässen wie der Ekhartschen Wohltätigkeitsveranstaltung vermietete.
Ein Mann in einem blauen Blazer, auf dessen Brusttasche ein offiziell wirkendes Abzeichen prangte, hatte mit einem Fernglas die flache, grüne Weite des Pazifiks abgesucht. Jetzt rieb er sich die Augen und schaute erneut durch die Linsen. Am Horizont hoben sich vor dem blauen Himmel schmale, weiße Gischtstreifen ab. Der Mann ließ das Fernglas sinken, nahm eine Gasdruckfanfare zur Hand und betätigte dreimal den Knopf.
Tuuut… tuuut… tuuut.
Das ohrenbetäubend laute Hupen schallte über das Wasser wie der Paarungsruf eines gewaltigen Gänserichs. Die Flottille nahm das Signal auf. Eine Kakophonie aus Glocken, Pfeifen und Hörnern erfüllte die Luft und übertönte mühelos die Schreie der hungrigen Möwen. Hunderte von Zuschauern griffen aufgeregt nach ihren Ferngläsern und Kameras. Manche Boote neigten sich bedenklich, als die Passagiere sich alle an einer Seite versammelten. Auf der
Nepenthe
schlangen die Gäste ihr Essen hinunter und strömten aus dem Salon, während sie weiterhin an ihren Sektgläsern nippten. Sie schirmten die Augen vor der Sonne ab und spähten in die Ferne, wo die weißen Markierungen immer deutlicher zu erkennen waren. In der Luft hing plötzlich ein Geräusch, das wie ein wütender Schwärm Bienen klang.
Dreihundert Meter über der
Nepenthe
kreiste in einem Helikopter ein stämmiger italienischer Kameramann namens Carlo Pozzi. Jetzt tippte er dem Piloten auf die Schulter und deutete nach Nordwesten. Dort näherten sich auf dem Wasser parallele weiße Streifen, als würden sie von einer riesigen, unsichtbaren Egge stammen. Pozzi überprüfte sein Sicherheitsgeschirr, stellte einen Fuß hinaus auf die Kufe und wuchtete sich eine mehr als zwanzig Kilo schwere Fernsehkamera auf die Schulter. Geübt lehnte er sich in den Wind, der seinen Körper durchschüttelte, und richtete das überaus starke Teleobjektiv auf die herannahenden Linien. Er schwenkte mit der Kamera von links nach rechts und verschaffte so den Zuschauern in der ganzen Welt einen Überblick über die zwölf Rennboote, die dort das Meer zerfurchten. Dann zoomte er auf die zwei Boote, die zirka vierhundert Meter vor dem Rest des Feldes in Führung lagen.
Die beiden Kontrahenten rasten über die Wellenkämme, und die zwölf Meter langen Rümpfe zeigten dabei steil empor, als wollten sie den Fesseln der Schwerkraft entfliehen. Das führende Boot war in einem leuchtend hellen Feuerrot gestrichen. Der Verfolger, weniger als neunzig Meter dahinter, funkelte wie ein goldenes Nugget. Im Aussehen glichen die Gefährte eher futuristischen Raumjägern als irdischen Wasserfahrzeugen. Ihre flachen Tragdecks verbanden jeweils zwei messerscharfe Katamaranrümpfe miteinander, über deren Maschinenräumen aerodynamische Schwingen angebracht waren. In jedem der spitz zulaufenden Rümpfe befand sich nach ungefähr zwei Dritteln der Länge eine
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