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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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in der Gefangenschaft behandelten, erfahren, daß er vom Aussatz befallen war.
    »Ihre Ärzte sind ausgezeichnet«, fuhr Lazarus ruhig fort, »weit besser als unsere. Und wer könnte mit den ersten Anzeichen der Krankheit besser vertraut sein als sie? Sie haben mir die Wahrheit gesagt. Sie haben getan, um was ich sie bat, und die Nachricht verbreitet, ich sei meinen Wunden erlegen. Sie taten noch mehr für mich: Sie brachten mich in eine Einsiedelei, damit ich, nachdem ich für meine Freunde gestorben war, im Land meiner Feinde mein Leben fristen und gegen die Krankheit ankämpfen konnte, wie ich früher gegen meine Gegner gekämpft hatte. Mein Helm und mein Schwert wurden auf meine Bitte hin nach Jerusalem zurückgeschickt.«
    »Sie hat beides erhalten«, sagte Cadfael, »und hält Euer Erbe in Ehren. Ihr seid nicht vergessen, Mylord. Ich habe schon immer gewußt, daß die besten der Sarazenen anständiger und menschlicher sind als viele Christen.«
    »Meine Feinde waren ritterlich. In den Jahren, in denen ich büßte, achteten sie mich und halfen mir, wo sie nur konnten.«
    Ja, dachte Cadfael, es gab einen Adel der Gesinnung, der Feindschaften zwischen Familien, Grenzen zwischen Ländern, ja selbst die scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen Religionen zu überwinden vermochte. Und es war gut möglich, daß Guimar de Massard sich den Kalifen der Fatimiden enger verbunden fühlte als Bohemond, Baldwin und Tankred, die sich wie ungeratene Kinder um ihre Eroberungen stritten.
    »Wie lange«, fragte er, »habt Ihr gebraucht, um in Eure Heimat zu gelangen?« Es war eine lange, lange Reise quer durch Europa, die dieser Mann auf verkrüppelten Füßen unternommen hatte, und er hatte nichts weiter bei sich gehabt als eine Klapper.
    »Acht Jahre. Ich bin aufgebrochen, als ich erfuhr, ein englischer Gefangener habe vom Tod meines Sohnes berichtet und gesagt, er habe ein Kind, eine Tochter, hinterlassen, die bei der Familie ihrer Mutter lebe und sonst keine Verwandten mehr habe.«
    So hatte er also seine Zelle, das Refugium, in das er sich jahrelang zurückgezogen hatte, verlassen und sich mit Klapper, Mantel und Gesichtstuch auf die endlose Pilgerfahrt nach England begeben, um sich aus gebührender Entfernung mit eigenen Augen davon zu überzeugen, daß seine Enkelin glücklich war und es ihr an nichts fehlte. Statt dessen hatte er feststellen müssen, daß ihr Unrecht geschah, und mit seinen verkrüppelten Händen hatte er dieses Unrecht und das, was zwischen ihr und ihrem Glück stand, aus der Welt geschafft.
    »Sie hat jetzt, was ihr zusteht«, sagte Cadfael. »Und dennoch, glaube ich, wäre ihr das Wissen, daß Ihr noch am Leben seid, lieber als ihr Anrecht auf einen großen Besitz.«
    Die Stille, die nun eintrat, war lange und kalt, als sei er in ein Gebiet eingedrungen, zu dem er keinen Zutritt hatte. Dennoch sprach Cadfael unbeirrt weiter. »Das Feuer, das Euch verzehrt hat, ist erloschen, und zwar seit Jahren schon, wie mir scheint.
    Ihr braucht es gar nicht erst abzustreiten - ich kenne die Anzeichen. Was Gott Euch, aus Gründen, die nur er kennt, auferlegt hat, das hat er wieder von Euch genommen, und das wißt Ihr. Ihr stellt für andere Menschen keine Gefahr mehr dar.
    Und ganz gleich, welchen Namen Ihr in all diesen Jahren geführt habt - Ihr seid immer noch Guimar de Massard. Wenn sie schon Euer Schwert in Ehren hält, um wieviel mehr würde sie Euch selbst ehren? Warum wollt Ihr sie dieser Freude berauben? Warum wollt Ihr Euch selbst der Freude berauben, sie glücklich zu sehen und ihre Hand in die eines Mannes zu legen, der, so glaube ich, Eure Zustimmung findet?«
    »Bruder«, sagte Guimar de Massard und schüttelte den Kopf, »Ihr sprecht von einer Sache, die Ihr nicht versteht. Ich bin ein toter Mann. Laßt mich und meine Legende in Frieden ruhen.«
    »Und doch gab es einmal einen Lazarus«, erwiderte Cadfael ehrfurchtsvoll, »der zur Freude seiner Verwandten von den Toten auferstand.«
    Wieder trat eine lange Stille ein. Die Wolken am Nachthimmel waren das einzige, was sich in der Welt der sichtbaren Dinge bewegte. Dann tauchte die unversehrte rechte Hand des alten Mannes aus den Falten seines Mantels auf und schlug die Kapuze zurück. »Und war dies das Gesicht, das seine Schwestern mit Freude erfüllte?« fragte Guimar.
    Er nahm das Gesichtstuch ab und entblößte ein grausam entstelltes Antlitz: Die Lippen waren fast verschwunden, eine Wange war eingefallen, von der Nase waren nur zwei große,

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