Bugatti taucht auf
Piero machte ein Foto davon, das sie an Bronski schickten. Wenige Tage später hatten sie die Antwort.
Laut Bronski handelte es sich um einen Bugatti Typ 22, der 1925 hergestellt und vertrieben worden sein musste. Die fünf jubelten. Sie sprachen viel darüber, dass die Schlammschicht, an der sie jetzt arbeiteten, dicht sei fast wie eine Vakuumverpackung, so dass diese Hälfte des Autos viel besser konserviert sein müsste als der Teil, den sie schon ausgegraben hatten, von dem aber praktisch nur der Rahmen übrig war. Berta, die Optimistischste von allen, glaubte fest, dass sie einen großen Fund machen würden.
So ähnlich war es dann auch. Anfang September lag an der Stelle, 52 Meter unter Wasser, ein Bugatti mit zwei bloßen Rädern auf der einen, aber zwei komplett erhaltenen Reifen, die sogar noch voll Luft waren, auf der anderen Seite, dem Chassisrahmen, einem 4-Zylinder-Motor, Steuersäule und -getriebe, Ölwanne, Wasserpumpe, Lenkrad, Tacho, dem gesamten linksseitigen Karosserieblech samt Spitzheck und den Scheinwerfern.
Sie hatten es fast geschafft.
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Sie haben das Auto geborgen. Es lagerte jetzt auf einem ufernahen Grund, 12 Meter unter der Wasseroberfläche, und wartete nur noch darauf, endgültig hoch und ans Licht geholt zu werden. Freude wollte sich nicht einstellen. Jordi war erleichtert; er war sogar übermütig, er hatte eine Nacht lang getrunken, was der Weinkeller des Grotto hergab, ohne dass ihm ein Sterbenswörtchen über die Lippen geschlüpft wäre. Es berauschte ihn, dass ihr Unternehmen gelungen war. Dennoch, Freude war anders. Es war eine Leere in ihm, die durch keine Handlung ausgefüllt werden konnte, die keine Idee, keine Anstrengung, keine Bergung aufheben konnte, und wahrscheinlich nichts, was ihm sonst gelingen könnte in der Welt. In einer leicht pathetischen Art fühlte er sich unbesiegbar und isoliert. Vielleicht, wenn er Patrizia früher wiedergetroffen hätte, bevor sie den anderen, den falschen Mann geheiratet hatte, vielleicht hätte er dann eine andere Liebe kennengelernt, in der es nicht um das Geld ging, das man hatte, sondern um das, das man nicht hatte, und das hätte sie beide unsentimental gemacht und weniger anfällig für Träume; und vielleicht hätte er dann weniger den Wunsch, diesen Ort und seine Bewohner immer aufs Neue zu verlassen und sich in weit entfernten Ländern, deren Sprache er nicht beherrschte, ungewissen Tagen auszusetzen. Im Grunde war er verloren wie sein Bruder Manuel, nur dass Jordi seine Verlorenheit besser verbarg als jener, in Abenteuergeschichten, in dem wiederkehrenden Wunsch, allein zu sein, und bis vor kurzem in der Ernsthaftigkeit, mit der er seiner Arbeit nachgegangen war.
Er würde die Firma verkaufen, was er danach tun würde, wusste er nicht. Aber es könnte sein, dass er eine Postkarte an Miguel schreiben würde, vorne drauf das alte Auto, hinten ein paar Zeilen: »… Bin unterwegs …«
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Sie riefen ihre Freunde an. Allen voran die Mezzanottes. Sie vereinbarten ein Datum und besprachen sich mit der Stadtverwaltung und der Wasserschutzbehörde. Sie ließen die Promenade sperren und die Piazza am Ufer. Und am Ende gaben sie eine Pressekonferenz und kündigten an, sie würden den alten Bugatti Brescia Typ 22, der vor 72 Jahren im See versenkt wurde, an einem Sonntagmorgen mit Hilfe eines Krans aus dem Wasser holen und auf der Uferpromenade abstellen. Nach dem Grund gefragt, sagten sie, sie machten es für Luca Mezzanotte, der am 1. Februar des Jahres ermordet worden war. Jeder, der wollte, konnte kommen, dabei sein und zusehen. Und dann organisierten sie ein großes Fest. Es war ein Sonntagmorgen im September. Und es kamen viele Leute. Viel mehr Leute, als sie erwartet hatten.
Nachbemerkung und Dank
Damiano Tamagni wurde in der Fastnacht vom 1. auf den 2. Februar 2008 in Locarno von drei Jugendlichen getötet.
www.damianotamagni.ch
Der Bugatti Typ 22 Brescia aus dem Lago Maggiore wurde am 23. Januar 2010 im Pariser Auktionshaus Bonhams von dem Sammler Peter Mullin für 230.000 Euro ersteigert. Er befindet sich nun im Mullin Automotive Museum, Oxnard, Kalifornien.
Dieses Buch hätte ich nicht schreiben können ohne die zahlreichen wertvollen Informationen und das Material, das Jens Boerlin mir zur Verfügung gestellt hat. Seiner Hilfe und seinem Engagement gilt mein besonderer Dank. Viva Jens!
Von ganzem Herzen möchte ich mich bei Annamaria und Maurizio Tamagni für ihre Offenheit, ihre Gesprächsbereitschaft und
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