Byrne & Balzano 3: Lunatic
siebten Januar.«
»Nicht schlecht«, sagte Jessica. »Dann können Sie sich nach Weihnachten auf die Sonderangebote stürzen.« Sie versuchte, die Stimmung ein wenig aufzulockern, und hoffte, dass sie nicht unhöflich oder gar respektlos war.
Ein Lächeln erhellte Pastor Gregs Gesicht. Er war ein wirklich sehr gut aussehender junger Mann. »Nach Ostern ebenfalls. Da kriegen wir die Osterhasen zum halben Preis.«
»Könnten Sie mir sagen, wann Kristina zum letzten Mal hier gewesen ist?«, erkundigte sich Jessica.
»Gewiss.« Greg stand auf und trat vor einen großen Kalender, der hinter seinem Schreibtisch an die Wand geheftet war. Sein Blick glitt über die Eintragungen. »Es müsste genau eine Woche her sein.«
»Seitdem haben Sie Kristina nicht mehr gesehen?«
»Nein.«
Jessica wappnete sich, denn nun musste sie Pastor Greg ein paar unangenehme Fragen stellen. Da behutsame Formulierungen nicht möglich waren, platzte sie einfach mit der ersten Frage heraus. »Fällt Ihnen jemand ein, dem Sie zutrauen, dass er Kristina etwas antun könnte? Ein abgewiesener Verehrer? Ein Ex-Freund? Vielleicht jemand aus der Gemeinde?«
Pastor Greg kniff die Augen zusammen. Natürlich gefiel ihm der Gedanke ganz und gar nicht, dass sich in seiner Gemeinde ein Mörder befinden könnte. Doch auf Jessica machte der junge Priester nicht den Eindruck, als wäre er weltfremd. Sie war sicher, dass er über die finsteren Seiten des Lebens in der Großstadt Bescheid wusste und dass er seelische Abgründe und die Düsternis in den Herzen mancher Menschen kannte.
Pastor Greg ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich wieder. »So gut habe ich sie nicht gekannt, aber die Leute reden, nicht wahr?«
»Natürlich.«
»Kristina machte einen lebenslustigen Eindruck, aber tief in ihrem Innern schien sie irgendwie ... traurig zu sein.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun ... Sie wirkte wie eine reuige Sünderin, wissen Sie? Vielleicht gab es etwas in ihrem Leben, das Schuldgefühle bei ihr ausgelöst hat.«
Es war so, als würde sie etwas tun, was ihr peinlich war , hatte Sonja gesagt.
»Haben Sie eine Idee, was das gewesen sein könnte?«, fragte Jessica.
»Nein. Tut mir leid. Ich sollte Ihnen vielleicht aber sagen, dass Traurigkeit bei den Ukrainern eine Art Wesenszug ist. Wir sind ein geselliges Volk, aber wir hatten eine schwere Geschichte.«
»Sie meinen, es ist vorstellbar, dass Kristina sich etwas angetan hat?«
Pastor Greg schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht.«
»Halten Sie es für möglich, dass Kristina absichtlich die Gefahr gesucht hat? Dass sie bewusst Risiken einging?«
»Auch das kann ich Ihnen nicht sagen. Es ist nur so, dass ...«
Er verstummte und rieb sich die Wange. Jessica sagte nichts; sie wollte ihm die Gelegenheit geben, fortzufahren. Doch Pastor Greg schwieg.
»Was wollten Sie sagen?«, fragte sie.
»Haben Sie einen Moment Zeit?«
»Sicher.«
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Der Pastor stand auf und durchquerte den kleinen Raum. Auf einem kleinen Metalltisch in einer Ecke standen ein 19-Zoll-Fernsehgerät und ein Videorekorder. Pastor Greg schaltete den Fernseher ein und ging zu einem Schrank mit Glastüren, der mit Büchern und Videokassetten gefüllt war. Nachdem er einen Augenblick gesucht hatte, zog er eine Kassette heraus. Er schob das Band in den Rekorder und drückte auf Play .
Kurz darauf war das erste Bild zu sehen. Es war ein von Hand aufgenommener, leicht verwackelter und schlecht belichteter Amateurfilm. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Pastor Greg zu erkennen war. Sein Haar war kürzer, und er trug ein schneeweißes Hemd. Er saß auf einem Stuhl, umringt von ungefähr einem Dutzend kleiner Mädchen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, die in ihren rot-grünen Weihnachtskostümen entzückend aussahen. Einige trugen traditionelle ukrainische Trachten. Pastor Greg las ihnen eine Geschichte vor, in der es um ein altes Ehepaar und dessen Enkeltochter ging – ein kleines Mädchen, das fliegen konnte.
Hinter dem Priester und den Kindern stand Kristina Jakos. Sie trug eine ausgewaschene Jeans und ein schwarzes Sweatshirt mit dem Logo der Temple University. Als Pastor Greg seine Geschichte beendet hatte, stand er auf und schob seinen Stuhl zur Seite. Die Mädchen umringten nun Kristina, die ihnen offenbar einen Volkstanz beibringen wollte. Die Kinder schauten Kristina an, als wäre sie eine Märchenprinzessin. Die Kamera schwenkte nach links, wo Pastor Greg
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