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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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war, daß aus aristokratischen Bemühungen um die kaiserliche Gunst Bemühungen um die Gunst des ersten Günstlings wurden. Vor den Türen seines Hauses in Rom, so berichtet Cassius Dio in seiner Römischen Geschichte, herrschten Rivalität und Gedränge bei der morgendlichen Salutatio, nicht nur weil man fürchtete, von ihm übersehen zu werden, sondern auch weil man nicht unter den letzten gesehen werden wollte. Dies habe besonders für die Ersten des Senatorenstandes gegolten, deren Verhalten genau beobachtet worden sei. Das Konsulat, das die höchste gesellschaftlicheRangstufe zur Folge hatte, sei allein durch Sejans Unterstützung erreichbar gewesen, schreibt Tacitus. Die Konsuln selbst hätten mit ihm sämtliche öffentlichen und persönlichen Angelegenheiten besprochen. Zugleich seien alle, die aus irgendeinem Grund mit ihm verfeindet waren oder ihm im Wege standen, größten Gefahren ausgesetzt gewesen – das Schicksal des Titius Sabinus wurde oben geschildert, von dem der Mitglieder der Familie des Germanicus wird noch zu sprechen sein. Tiberius ließ es zu, daß dem Kommandanten seiner Leibgarde außergewöhnliche Ehrungen zuteil wurden: Sein Geburtstag wurde öffentlich gefeiert, man verehrte goldene Standbilder von ihm. Den Höhepunkt seiner Macht bildete die Bekleidung des Konsulates gemeinsam mit dem Kaiser im Jahre 31, die Aussicht, in die Kaiserfamilie einzuheiraten und das Versprechen der tribunizischen Gewalt, die ihn zu einer Art Mitregenten gemacht hätte.
    Zuviel Mißtrauen gegen alle, zuviel Vertrauen in einen, so läßt sich Tiberius’ Verhalten charakterisieren. Er überforderte damit offensichtlich die Loyalität Sejans. Angesichts der noch ungeklärten Nachfolgefrage scheint die Versuchung für ihn zu groß gewesen zu sein, aus der kaisergleichen Position heraus die Position des Kaisers anzustreben. Die Nachricht über die Verschwörung soll Antonia Minor, die als Schwägerin über einen privilegierten Zugang zum Kaiser verfügte, dem Tiberius durch einen vertrauten Sklaven übermittelt haben. Der alte Mann lief daraufhin noch einmal zu großer Form auf. Heimlich ernannte er einen neuen Prätorianerpräfekten, Quintus Naevius Macro, und ließ zugleich Schiffe bereitstellen, die ihn im Ernstfall zu treuen Militärverbänden im Reich bringen sollten. In einer dramatischen Aktion wurde im Senat ein Brief des Kaisers in Gegenwart Sejans verlesen, in dem dieser, nach zurückhaltenden Formulierungen zu Beginn, schließlich offen des geplanten Anschlags auf den Kaiser bezichtigt wurde. Noch am gleichen Tag wurde der zuvor allmächtige Günstling hingerichtet und mit ihm seine Kinder. Die Leichen wurden mehrere Tage durch Rom geschleift.
    Ein erneuter Schub an Majestätsprozessen war die Folge, alte Rechnungen wurden beglichen, neue Chancen, sich zu profilieren, genutzt. Im Jahre 33 befahl Tiberius, alle, die nochwegen der Teilnahme an der Verschwörung im Kerker gefangengehalten wurden, umzubringen. «Da lag ein riesiger Berg von Leichen», berichtet Tacitus, «jeden Geschlechts, jeden Alters, Menschen von hoher und niederer Geburt, verstreut oder aufgetürmt. Und den Verwandten und Freunden wurde nicht gestattet heranzutreten, sie zu beweinen, nicht einmal, sie längere Zeit zu betrachten. Vielmehr mußten Wächter, die ringsum aufgestellt waren und den Ausdruck der Trauer jedes einzelnen lauernd verfolgten, bei den verwesten Leichen bleiben, bis sie in den Tiber geschleppt wurden, wo sie dahintrieben oder an die Ufer geschwemmt wurden. Aber niemand verbrannte, niemand berührte sie. Ausgelöscht war das Gefühl für die Gemeinsamkeit menschlichen Geschickes durch die Macht der Furcht, und im selben Maß, wie die Grausamkeit um sich griff, schwand der Raum für das Mitleid.» (Tac.
ann.
6, 19, 2f.)
    Das Verhältnis von Kaiser und Aristokratie war damit auf dem Nullpunkt angelangt. Wie jene war auch dieser durch die Ereignisse um Sejan aufs höchste verängstigt. Schmähschriften und Beschimpfungen derer, die nichts mehr zu verlieren hatten, kursierten. Der Kaiser verschaffte dem allgemeinen Haß, der ihm zuteil wurde, noch zusätzliche Publizität, indem er solche Schriften bei der Anklage ihrer Verfasser im Senat verlesen ließ. Die Situation der letzten Jahre der Herrschaft des Tiberius – und zugleich die erschütternd hilflose Ehrlichkeit, die diesen Kaiser kennzeichnete – dokumentiert anschaulich ein Brief an den Senat, dessen Einleitung Tacitus und Sueton wörtlich zitieren: «Was soll

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