Caligula - Eine Biographie
Öffentlichkeit auftrat und die Leichenrede auf Livia hielt, lebte zusammen mit seinen Schwestern ab dem Jahre 29 im Haushalt seiner Großmutter Antonia Minor, der anderen großen alten Dame im Rom jener Zeit. Sie verfügte nicht nur über römische, sondern durch ihren Vater Antonius und dessen Verbindung mit Kleopatra auch über familiäre Beziehungen zu mehreren Königsgeschlechtern des orientalischen Raumes, deren sogenannte Klientelkönigtümer unter römischem Einfluß standen. Verschiedene Königssöhne lebten zu jener Zeit im Haus der Antonia und knüpften Beziehungen zu Caligula, die ihnen später von Nutzen sein sollten.
Auch Caligulas Leben im Haus der Antonia sollte nur zwei Jahre dauern. Während dieser Zeit – Sejans Macht näherte sichdem Höhepunkt – erfolgte der endgültige Sturz seiner Mutter und seines ältesten Bruders. Der Kaiser selbst hatte sie in einem Brief verschiedener Vergehen beschuldigt. Durch eine Lücke in den
Annalen
des Tacitus und die verkürzten Berichte Suetons und Cassius Dios sind der Prozeß, der ihnen vor dem Senat gemacht wurde, und die senatorischen Helfer Sejans, die ihn betrieben, nicht genau rekonstruierbar, wohl aber das Ergebnis: Nero wurde zum
hostis,
zum Feind des römischen Gemeinwesens erklärt, und beide wurden auf die kleinen Inseln Pandataria und Pontia verbannt. Nero kam dort wohl noch im Jahre 30 unter unklaren Umständen ums Leben – entweder weil man ihn verhungern ließ oder weil er sich selbst umbrachte, möglicherweise auch durch die Vorbereitung einer Scheinhinrichtung, die ihn zum Selbstmord trieb: Sueton berichtet, man habe ihm zu diesem Zweck einen Henker geschickt, der ihm Stricke und Haken zeigte.
Noch im Jahre 30 geriet auch Caligulas Bruder Drusus, der nächste der Thronfolge, ins Visier Sejans und seiner Helfer. Er wurde auf ähnliche Weise wie Nero verschwörerischer Aktivitäten beschuldigt. Auch er war jahrelang beschattet und belauscht worden, wobei seine Gattin, Aemilia Lepida, eine wichtige Rolle gespielt haben soll. Caligula, jetzt 17 bzw. 18 Jahre alt, mußte miterleben, wie Drusus auf dem Palatin in einen Kerker geworfen wurde, aus dem er nie wieder herauskommen sollte. Nicht viel später wurde er in einem Prozeß, bei dem sich der Senator Lucius Cassius Longinus als Ankläger um Sejan verdient machte, ebenfalls zum
hostis
erklärt.
Es gibt wenig Grund, die Berichte der Quellen über die Art und Weise der Beseitigung der Germanicusfamilie zu bezweifeln. Die Autoren berufen sich zum Teil auf Senatsverhandlungen, von denen ihnen die Protokolle zur Verfügung standen, und der durch Gewalt bedingte Tod von Mutter und Brüdern Caligulas steht als solcher außer Frage. Unklar ist jedoch, was in Tiberius in jenen Jahren vorgegangen ist. Sueton unterstellt ihm aus der Rückschau, von Anfang an den Tod der Familie des Germanicus geplant und Sejan nur als Instrument seiner Absichten benutzt zu haben, was die Brutalität von deren Ende zu erklären versucht, aber wenig plausibel erscheint. Cassius Dio schreibt, man habe ihn für verrückt gehalten, da er, indemer alle Einzelheiten vor den Senat brachte, sich selbst letztlich völlig desavouierte. Tatsächlich wird man eine Art Realitätsverlust und – damit einhergehend – dauernde Angst um die eigene Sicherheit anzunehmen haben, die durch seinen Rückzug aus Rom und die Beeinflussung seitens seiner von Sejan kontrollierten engsten Umgebung auf Capri noch verstärkt wurde. Angst war auch in Rom, im Senat, die dominante Gefühlslage. Nur so ist es erklärlich, daß die Senatoren auf die detaillierten Berichte über die Bespitzelung Agrippinas, Neros und Drusus’ nicht mit Entsetzen über den Kaiser – das sie, wie Tacitus berichtet, tatsächlich beherrschte –, sondern heuchlerisch mit Entsetzen über die angebliche Feindschaft in der kaiserlichen Familie reagierten.
Auch ohne großes Kombinationsvermögen konnte man nun in Rom wissen, wer als nächster an der Reihe war. Tatsächlich wird von verschiedenen Versuchen berichtet, auch den Untergang des Caligula zu betreiben. So wurden später, nach Sejans Sturz, mehrere Senatoren wegen entsprechender früherer Vergehen belangt. Sextius Paconianus soll als Helfer des Prätorianerpräfekten eine Intrige gegen ihn vorbereitet haben. Cotta Messalinus und Sextus Vistilius, letzterer aus der engsten Umgebung des Tiberius, sollen Behauptungen über seinen unzüchtigen Lebenswandel in die Welt gesetzt haben. Auch bei den Anklagen gegen Nero hatten
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