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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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okay?« Sie war entnervt, und vielleicht hatte sie wirklich versucht,
mich vor irgendwas zu beschützen. Diese Möglichkeit musste ich immerhin anerkennen.
    Ich wusste einfach nicht, wann man loslassen muss. »Was hat er gesagt?«, bohrte ich nach. »Hast du ihm erzählt, dass ich heute Abend arbeite?«
    »Ach, Gott, Schätzchen.« Wieder eine kurze Pause. »Okay, ja. Ich habe ihm gesagt, dass du heute Nacht arbeitest. Und ich habe ihm erzählt, wer sonst noch da ist. Er hat gesagt: Gut, egal welche. Ich hab ihm das neue Mädchen aus Sudbury geschickt. Ich dachte, du würdest sicher nicht gehen wollen.«
    Ich sagte nichts. Ich versuchte, die Tatsache zu verdauen, dass er nach allem, was zwischen uns geschehen war, offenbar keine Probleme damit hatte, mich wieder als Callgirl zu sich zu bestellen. Dass es gar keine Rolle spielte. »Egal welche« hatte er gesagt. Tia, das neue Mädchen aus Sudbury, wer auch immer. Für ihn war ich tatsächlich nur eine Nutte, die er eine Weile umsonst bekommen hatte, die er aber auch bezahlen würde, wenn es nicht anders ging.
    Ich hatte gedacht, dass ich mich nicht mehr elender fühlen könnte.
    Das war ein Irrtum.
     
    Am nächsten Tag traf ich mich in meinem neuen Collegebüro mit einigen Studenten. Sie wollten sich über Zensuren beschweren, die eigentlich keine große Überraschung für sie sein konnten.
    Gegen 19 Uhr hatte ich einen Besuch im Fitnessklub absolviert, geduscht und eine Weight-Watcher-Pizza gegessen. Ich wählte die Nummer der Agentur. »Ich melde mich an«, sagte ich kurz. Nach einer halben Stunde rief Peach zurück. »Arbeit«, verkündete sie. »Er ist neu. Du musst wissen, ob du damit klarkommst. Er wohnt im Sheraton, reist aber bald ab. Die Rezeptionistin sagt, er sei vorher schon mal da gewesen. Ich hatte ein gutes Gefühl bei ihm. Lass mich wissen, was du von ihm hältst.«
    Wenn die Rezeptionistin ihn überprüft hatte, musste ich wohl
keine allzu große Angst haben. Außerdem brauchte ich wirklich einen kurzen Tapetenwechsel.
    Am Telefon machte er weder einen negativen noch einen positiven Eindruck auf mich, aber das war wahrscheinlich nicht sein Fehler. Eigentlich hätte ich mich freuen sollen. Ich mochte Verabredungen in Hotels: Ich schlenderte gern durch die noblen Korridore, in dem zufriedenen Wissen, 150 oder 200 Dollar in der Tasche zu haben, fühlte mich attraktiv und begehrenswert, genoss die luxuriöse Stille der Eingangshalle und schenkte dem Portier ein Lächeln zum Abschied … Ich zog einen weiten Rock und einen großen Pullover an, der die Folgen meiner jüngsten Fressgelage verdeckte. Als ich dann mit dem Auto ins Sheraton fuhr, ließ ich das Radio aus und genoss die Ruhe, die im Auto und ausnahmsweise auch einmal in meinem Kopf herrschte.
    Ich fand das Zimmer. Ich fand den Kunden. Spürte eine plötzliche Anwandlung von kribbelnder Nervosität, als ich ins Zimmer trat und ihn prüfend musterte. Neue Kunden machten mich immer nervös. Er war nett, schenkte mir ein Glas Weißwein aus einer geöffneten Flasche ein. »Können wir uns erst ein bisschen unterhalten?«
    »Sehr gern«, sagte ich mechanisch und beobachtete, wie er meine Beine inspizierte, als ich mich auf die Bettkante setzte. Er half mir nicht aus dem Mantel. Ich zog ihn aus, legte ihn neben mich aufs Bett und nippte am Wein.
    »Nur um das klarzustellen«, sagte er. »Für die 200 Dollar darf ich mit dir schlafen, oder? Ich meine, ich kann zum Orgasmus kommen? Vielleicht auch zwei Mal?«
    An übertriebenem Feingefühl litt er nicht gerade, aber daran war ich inzwischen gewöhnt.
    »Wir sollten es uns einfach ein bisschen gemütlich machen«, schlug ich vor, und vergaß auch nicht, meine Stimme ein bisschen säuseln zu lassen. »Dann werden wir schon sehen, was uns gefällt.«
    Er wischte den Vorschlag beiseite. »Aber wir können doch
miteinander schlafen, nicht?« Bei einer solchen Frage hätte er eigentlich angespannt klingen müssen. Tat er aber nicht. Er klang, als würde er einen Text ablesen. »Ich meine, für so viel Geld erwarte ich schon, dass wir aufs Ganze gehen.«
    Merkwürdiger Ausdruck, dachte ich, für einen Mann in den Vierzigern. Irgendwas stimmte nicht. Das letzte Mal, als ich dieses Gefühl gehabt hatte, erwies es sich als harmlos – der Typ war nur verlegen. Vielleicht war ja auch diesmal alles in Ordnung.
    Aber vielleicht auch nicht.
    Ich stellte mein Weinglas auf den Boden und räusperte mich. Wenn ich mich irrte, würde ich gleich ziemlich blöd dastehen und

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