Cambion Chronicles 1
bringt, aber mit seinen tiefen Grübchen und den violettesten Augen, die ich je gesehen habe, war er schon einen zweiten Blick wert. Er behauptete zwar, die Augenfarbe sei echt, aber eigentlich dürften solche Augen in der Natur gar nicht vorkommen – jetzt gerade leuchteten sie im strahlendsten Lilaton des Farbkreises.
Hellbraune Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, während die beiden sich weiter abschlabberten. Wenn sie nicht bald mal Luft holten, würde ihr Caleb sicher noch die Lebenskraft aussaugen. Soweit ich weiß, gibt es für solche Fälle billige Hotelzimmer, und in dieser Gegend herrschte daran wahrlich kein Mangel.
Schon die ganzen anderthalb Jahre, die ich hier arbeitete, verursachte mir der Typ Gänsehaut. Ganz zu schweigen von der Anzahl der Frauen, die dauernd hinter ihm herjagten. Keiner im Laden schien etwas davon zu merken oder sprach diese Tatsache jemals an, nicht mal die Vorgesetzten, was mich noch mehr anwiderte.
Ich hatte genug gesehen und ging weiter zu meinem Arbeitsplatz, bevor mir das Mittagessen wieder hochkam.
Cuppa-Joe war ein kleines Café im hinteren Teil des Buchladens, wo die Leute ausspannten und über Gott und die Welt ablästerten. Die Jauchegrube des Firmentratsches und des Kunden-Bashings.
Heute hatte ich Spätschicht mit meiner Wochenendkomplizin Nadine Petrovsky, einer polnischen Austauschstudentin am William-&-Mary-College und einem der zynischsten Menschen, die ich jemals kennenlernen durfte. Die Typen kamen extra ins Café, um ihrem exotischen Akzent zu lauschen und ihr bei der Arbeit zuzusehen.
Ein kurzer Blick genügte, um das zu verstehen. Jedem Modelscout würde angesichts dieser europäischen Schönheit das Wasser im Mund zusammenlaufen: Ihr langes, weizenblondes Haar reichte ihr bis zum Po, und sie hatte abgefahrene grüne Katzenaugen. Schade, dass all die Aufmerksamkeit sie nicht im Geringsten interessierte. Sie hatte keine Zeit für diesen Quatsch, was sie mitleidlos und schnippisch gemacht hatte. Sie war einfach zu zielstrebig, um zuzulassen, dass ein Typ oder irgendetwas anderes sie bremste.
Nadine stand vor dem Kaffeeautomaten und reinigte die Dampfdüse, als sie mich aus dem Augenwinkel bemerkte.
»Du kommst zu spät«, stellte sie fest, ohne aufzusehen.
»Tut mir leid. Mia und Dougie haben sich mal wieder auf dem Parkplatz gefetzt.« Ich band mein Haar zu einem Knoten und schnappte mir die Schürze aus der Küche nebenan.
»Ach ja?« Sie reckte den Hals und versuchte, vor den Laden zu spähen. »Die liefern immer eine gute Show ab. Sollten ihre eigene Sitcom kriegen.«
»Hab ich ihnen auch schon gesagt.«
Sie legte die Stirn in Sorgenfalten und schüttelte missbilligend den Kopf. »Das ist keine gesunde Beziehung, Sam.«
»Welche Beziehung ist das schon?« Ich band mir die Schürze um und ging zum Spülbecken, um mir die Hände zu waschen.
»Na, die normalen.«
»Tja, sobald ich mal so eine zu sehen bekomme, sage ich dir, was ich davon halte.«
Während ich mir die Hände abtrocknete, kam ein Grund, warum ich Kunden hasste, auf die Theke zu. Ein ganz in Schwarz gekleideter Typ mit einem Hundehalsband schielte zu mir rüber.
Nadine tat weiter, als sei sie beschäftigt, also ging ich zur Kasse. »Was darf’s sein?«
»Einen Eis-Chai Latte«, sagte er ausdruckslos. Es war schwer zu sagen, ob der Kerl high oder nur halb wach oder ob er überhaupt ein Kerl war. Seine Baggy Pants schleiften über den Boden wie ein Kleid beim Abschlussball, unter den ausgefransten, schmutzigen Aufschlägen lugten Clownstiefel hervor.
Ich tippte seine Bestellung ein und warf Nadine einen Blick zu, den sie mit einem identischen Blick erwiderte.
Als er gegangen war, lehnte ich mich an die Theke und lachte.
Nadine lächelte nie, auch wenn der Witz noch so gut war, was sie an den Wochentagen, an denen sie im Kindergarten auf die Vorschüler aufpasste, ganz bestimmt sehr beliebt machte. Stattdessen wischte sie mit heftigen Bewegungen die Arbeitsfläche sauber.
»Ich hasse diese Elmo-Goth-Typen«, maulte sie. »Welcher Soziopath mit einem Rest von Selbstachtung trinkt denn schon Chai? Was wissen die denn über echte Qualen? Sollen die mal ein Konzentrationslager überleben, dann können sie jammern.«
»Das heißt Emo«, korrigierte ich sie. »Und deine Urgroßeltern kamen nicht mal bis zum Lager, bevor die amerikanischen Truppen einfielen.«
Nadine ging zur hinteren Arbeitsfläche und prüfte die Zeitschalter an den Kaffeemaschinen. »Qualen sind Qualen. Und
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