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Carpe Somnium (German Edition)

Carpe Somnium (German Edition)

Titel: Carpe Somnium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Marino
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Ambrose 47 zu beseitigen wäre einfacher, als eine Fliege zu zerquetschen. Warum also verharrte sein Finger dort, widersetzte sich seinem Befehl?
    Die Antwort schien aus einem ganz und gar abgetrennten Geist zu kommen, einem Verstand, den er undeutlich als seinen eigenen erkannte. Tief in seinem Innern wusste er, dass eine vernichtende Löschung nicht einfacher sein
durfte
, als eine Fliege zu zerquetschen. Er zwang sich, seinem Gegenstück in die Augen zu sehen. Mit ungeheurer Anstrengung rief er sich ins Bewusstsein, dass Ambrose 47 nicht bloß eine Summe aus Profildaten und Gedanken-Stream-Updates war.
Ambrose 47 hat Ideen und Träume – genau wie ich.
Sein ausgestreckter Finger zitterte, während er dem größer werdenden Druck in seinen Nebenhöhlen zu widerstehen versuchte. Es war seine Aufgabe, Ambrose 47 zu löschen und zu beobachten, was geschehen würde. Unison war sein Geschäft. Greymatter war sein Büro. Das Admin-Deck war sein Zuhause.
    »Nein«, sagte Ambrose laut. »So bin ich nicht.«
    Er zog seinen Finger von Ambrose 47s winzigem Namen zurück, schloss die Kontrolltafel. Seine Stirn fühlte sich an, als würde sie langsam mit einem Rasiermesser aufgeschlitzt. Das Deck kannte ihn besser als er sich selbst. Den Schmerz verschwinden zu lassen wäre so einfach, er bräuchte nur die Kontrolltafel wieder aufzurufen und so zu handeln, wie ein entschlossener Unternehmensführer wie Martin Truax es tun würde.
    Ambrose atmete tief durch. »Ich bin nicht wie er.« Er schloss die Augen und verscheuchte eine entsetzliche Vision von sich selbst als einer welkenden Mumie in einer bewässerten Scannerröhre. »Ich werde niemals wie er sein.« Der Schmerz in seiner Stirn verblasste zu einem dumpfen Pochen.
    »Wovon redest du da?« Mit einem Mal klang Ambrose 47s Stimme kräftig und nah. Ambrose schlug die Augen auf. Seine Wahrnehmung des Büros schärfte sich, trat in den Vordergrund seines Blickfelds. Er war umgeben von gläsernen Regalen und leeren Bilderrahmen. Die Pflanze neben dem Schreibtisch war nur noch ein lebloser Haufen aus toten Blättern und spröden Stängeln. Ambrose 47 nahm deutliche Konturen an und verschränkte die Arme. »Du hast mir überhaupt nicht zugehört.«
    »Mir ist grade klar geworden, dass ich dich nicht töten werde«, erwiderte Ambrose.
    Ambrose 47 musterte ihn einen Augenblick, dann ging er auf die Türöffnung hinter dem Schreibtisch zu. »Wenn ich meinen Bericht beim Schöpfer-Direktor abliefere, habe ich keine andere Wahl, als den Betatest der Erstversion 3.0 einen Fehlschlag zu nennen.«
    Ambrose ließ seinen Sessel herumwirbeln, um in das tosende Netz aus Profilinformationen zu starren, und er erinnerte sich, weshalb er hier war.
    »Halt!«, sagte Ambrose. Sein Gegenstück hielt abrupt inne, stand wie erstarrt neben dem Schreibtisch.
Er ist es gewohnt, Befehlen reflexartig zu gehorchen
, dachte Ambrose.
Das hat er sein ganzes Leben lang getan.
»Es ist meine Schuld, dass der Test unbefriedigend war. Martin und ich hatten hier ein paar ungelöste Probleme mit der Qualitätssicherung, die bereits vor deiner Ankunft hätten behoben werden müssen.«
    »Die Untertreibung des Jahrtausends«, sagte Ambrose 47. »Dein Schöpfer-Direktor hat mich
geschlagen
. Ich habe geduldig auf eine Erklärung gewartet, stattdessen ist er verschwunden. Ich hätte sofort zurückgehen sollen.«
    Ambrose stand auf und blockierte die Tür. Die Profildaten drängten gegen seinen Rücken wie ein scharfer arktischer Windstoß.
    »Ich gehe«, sagte Ambrose. »Ein Repräsentant von meiner Seite sollte derjenige sein, der den Bericht überbringt.«
    Ambrose 47 schwieg, dachte nach. Seine Wangenknochen wirkten abscheulich vorgewölbt, wie Auswüchse, die danach streben, Hörner zu werden. »Laut meinem Process Flow entsprechen deine Absichten nicht länger diesem Projekt.«
    Ambrose splittete seine Wahrnehmung zu gleichen Teilen zwischen Büro und Deck. Er musste sein Gegenstück auf dieser Seite des Tors halten, während er das Upgrade deaktivierte.
    »Was machst du da drüben in deiner Welt eigentlich in der Freizeit, Siebenundvierzig?«
    »Die Bandbreite meiner Managementfähigkeiten erweitern.«
    Ambrose wies das Deck an, ihm Martins private Dateien anzuzeigen, die Version-3.0-Programmierung, die Len im Verlauf des letzten Jahres vergeblich zu finden versucht hatte. Das Deck gehorchte. Es hatte jetzt keinen Einfluss mehr auf sein Bewusstsein. Er schauderte bei dem Gedanken daran, dass es ihn um ein Haar in

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