Cato 04 - Die Brüder des Adlers
hielt. Tincommius drehte sich um und maß Macro mit einem kalten Blick.
»Was ist denn verdammt noch mal hier los?«, fragte Macro.
»Artax«, murmelte Cato. »Er hat versucht, Verica zu ermorden. «
»Der König!«, rief Macro zu Tincommius hinüber. »Ist er am Leben?«
Tincommius nickte. »So gerade noch.«
»Na, wunderbar!«, knurrte Macro. »Und jetzt?«
25
»Wie geht’s dem alten Mann?«, fragte Macro. »Irgendeine Besserung?«
Cato schüttelte den Kopf und setzte sich neben Macro auf die Bank. Er war gerade aus dem königlichen Schlafgemach zurückgekehrt, wo der Wundarzt des römischen Lagers sich unter Cadminius’ wachsamen Augen um den König bemühte. Macro trank keltisches Bier und wurde von der Glut des wärmenden Kohlebeckens allmählich wieder trocken. Es war ein langer, unerfreulicher Tag gewesen. Als die Jagdgesellschaft mit dem verwundeten König nach Calleva zurückeilte, hatte der Regen erst richtig eingesetzt. Klatschnass und zitternd vor Kälte erreichten sie Calleva bei Anbruch des Abends. Tribun Quintillus hatte Cato und Vericas Leibwächtern befohlen, den König zur königlichen Umfriedung zurückzubegleiten, während Macro ins römische Lager ritt, um den Wundarzt zu holen. Quintillus ließ die Wolfskohorte antreten und schickte sie als Wache auf die Wälle des Lagers und die ellipsenförmigen Verteidigungsanlagen Callevas, damit nicht einer von Vericas Feinden die Situation ausnutzte. Während die Männer im Lichte eilig entzündeter Fackeln ihre Posten einnahmen, machte Macro sich auf den Weg zur königlichen Umfriedung, um sich dort mit Cato zu treffen.
Der Königssaal war voll von Männern, die sich in kleinen Gruppen um die Tische scharten. Eine kleine Mannschaft königlicher Leibwächter versperrte mit gezogenem Schwert jedem den Weg zum König. Die Luft war von Geflüster und leisem Stimmengewirr erfüllt und alle Augen wanderten immer wieder zu der Tür hinüber, die zu Vericas Schlafgemach führte. Die Nachricht von Vericas schwerer Verwundung hatte sich schnell in den schlammigen Gassen Callevas verbreitet und nun warteten Atrebates jeden gesellschaftlichen Rangs auf weitere Nachrichten.
Im Schlafgemach des Königs hatte Cato beobachtet, wie der Wundarzt die Kopfverletzung des alten Mannes vorsichtig von Blut und Schlamm reinigte. Der Wundarzt holte tief Luft und betastete dann die entfärbte Haut unter dem schütteren Haar. Schließlich setzte er sich zurück und nickte Cato zu.
»Eine Weile hat er auf jeden Fall noch zu leben.«
»Wie stehen seine Chancen?«
»Schwer zu sagen. Bei dieser Art von Verletzung ist in den nächsten Tagen alles möglich, von Gesundung bis zum Tod.«
»Ich verstehe«, murmelte Cato. »Tu, was du kannst.«
Der König lag auf dem Bett, das Gesicht unter dem Kopfverband totenbleich. Sein Atem ging flach. Wäre dieses leise Heben und Senken der Brust nicht gewesen, hätte man ihn für tot halten können.
»Gib mir Bescheid, sobald irgendeine Veränderung eintritt«, trug Cato dem Wundarzt auf.
»Jawohl, Herr.«
Cato entfernte sich vom Bett und wandte sich zur Tür, die zum Königssaal hinausführte. Bevor er das Schlafgemach verließ, verharrte er einen Moment lang. Auf der gegenüberliegenden Seite lag die Tür zum privaten Audienzraum des Königs, und von dort hörte Cato die gedämpften Stimmen eines hitzigen Streits. Dann befahl Quintillus deutlich vernehmbar Ruhe. Cato war in Versuchung, zur Tür zu treten und aufmerksamer zu lauschen, wollte sich aber diese Blöße vor dem Wundarzt nicht geben.
Draußen im Königssaal erblickte Cato dann Macro, der sich gerade auf einer Bank niederließ, und eilte zu seinem Freund, um über den Gesundheitszustand des Königs zu berichten.
»Keinerlei Besserung? Was hat denn der Arzt gesagt?«
»Wenig«, antwortete Cato, dem bewusst war, wie viele Blicke auf ihm ruhten, nachdem er aus Vericas Schlafgemach getreten war. »Artax muss ihn ziemlich heftig erwischt haben. Verica hat viel Blut verloren, aber der Schädel ist nicht zertrümmert. Vielleicht überlebt er die Verletzung. «
»Na hoffentlich.« Macro musterte die im Saal Versammelten. »Wie mir scheint, würde ein beträchtlicher Teil der Einheimischen einen Herrschaftswechsel begrüßen. Hier begegnet man uns nicht mit allzu viel Zuneigung.«
»Mag sein«, räumte Cato mit einem müden Achselzucken ein, »aber nach meinem Eindruck haben die Leute hier eher Angst.«
»Angst?«, entfuhr es Macro, der vor Verblüffung zu laut sprach, und
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