Cato 05 - Beute des Adlers
denen seine Hände und Füße gefesselt waren, hatten sich tief in seine Haut eingeschnitten. Jede Bewegung schmerzte. Er versuchte, sich nach Möglichkeit nicht zu bewegen und die Augen zu schließen, obwohl dies seine letzte Nacht auf Erden war. Cato hatte sich oft vorgestellt, dass er angesichts des drohenden Todes jedes noch so kleine Detail um ihn herum wahrnehmen würde, um noch den winzigsten Lebensfunken in sich aufzusaugen.
»Nutze den Tag«, murmelte er und lachte höhnisch auf. »So ein Schwachsinn.«
Er verspürte weder eine merkliche Erhöhung seiner Sinnesschärfe noch eine letzte verzweifelte Lebenslust, sondern nur einen schwelenden Zorn über die Ungerechtigkeit des Ganzen, dazu einen derart großen Hass auf Centurio Maximius, dass ihm förmlich das Blut in den Adern brannte. Maximius würde weiterleben und sich irgendwann von der Schande seines Versagens an der Furt reinwaschen. Cato dagegen würde einen ganz anderen Fluss überqueren. Eine Reise ohne Wiederkehr. Seine Unschuld an den Verbrechen, für die man ihn zum Tode verurteilt hatte, würde nie ans Licht kommen.
Auch nach Sonnenuntergang ließen Regen und Wind nicht nach. Cato lag auf dem Boden, zitterte erbärmlich und wurde von einem niederschmetternden Gedanken nach dem anderen heimgesucht. Die Gefangenen um ihn herum lagen ebenfalls still da. Nur wenige sprachen mit flüsternder Stimme. Einer, dem wohl die nachmittägliche Sonne nicht bekommen war, schrie gelegentlich in einem tränenreichen Fieberwahn auf. Dann rief er nach seiner Mutter, bis sich die Rufe in ein unverständliches Gemurmel verwandelten. Der Rest der Kohorte hatte sich in einiger Entfernung in die Zelte begeben. Nur aus dem Lager hinter dem Wall drangen freudige Geräusche zu ihnen. Triumphschreie oder enttäuschtes Stöhnen der Männer beim Würfelspiel. Der leise Refrain eines Liedes. Die gebrüllten Befehle der wachhabenden Offiziere.
Durch eine Lücke in den Wolken über ihm funkelten die Sterne an einem samtigen, mondlosen Himmel. Sie erinnerten ihn an seine jämmerliche Bedeutungslosigkeit angesichts der überwältigenden Größe der Welt um ihn herum. Beim ersten Wachwechsel hatte er sich schon fast mit seinem Schicksal abgefunden. Ein kurzer Trompetenstoß aus dem Legionslager zeigte das Verstreichen der zweiten Nachtstunde an. Die beiden Legionäre, die die Gefangenen bewachten, warteten ungeduldig auf ihre Ablösung. Der Regen trommelte auf ihre Helme, und sie zogen sich die gefetteten Mäntel noch fester um die Schultern.
»Wo bleiben die nur?«, knurrte einer. »Wer soll uns noch mal ablösen?«
»Fabius Afer und Nipius Kaeso. Frischlinge.«
»Verfluchte Grünschnäbel.« Die erste Wache spuckte aus. »Die Rekruten haben einfach nichts mehr auf dem Kasten.«
»Stimmt schon, Vassus. Die bräuchten mal ’ ne ordentliche Abreibung. Ohne diese Muttersöhnchen würde die Kohorte jetzt nicht in der Scheiße stecken.«
»Ja, ’ ne ordentliche Abreibung. Ah, da kommen sie.«
Zwei Gestalten schälten sich aus der Dunkelheit. Das Geräusch ihrer Schritte auf dem Gras war wegen Wind und Regen fast nicht zu hören.
»Wo verdammt noch eins bleibt ihr denn?«
»Wir waren noch beim Scheißen!«, rief eine Stimme zurück, woraufhin sein Kamerad in Gelächter ausbrach.
»Warte mal«, murmelte Vassus und starrte die näherkommenden Silhouetten an. »Der da ist viel zu groß für Kaeso oder Afer. Wer seid ihr?«
»Planänderung, Freunde. Wir sind jetzt eingeteilt.«
»Wer spricht da überhaupt?«
Vassus beugte sich vor, um die Neuankömmlinge in Augenschein zu nehmen, als eine Faust aus der Finsternis schoss und mit einem lauten Krachen gegen seinen Kiefer prallte. Vassus sah noch einen hellen Blitz vor Augen, dann brach er bewusstlos zusammen.
»Was zum … ? Figu…« Die Hand der anderen Wache fuhr instinktiv zum Schwertgriff, doch der Mann konnte die Klinge gerade mal eine Handbreit aus der Scheide ziehen, bevor er ebenfalls mit einem atemlosen Grunzen zu Boden ging.
»Aua!«, flüsterte Figulus und schüttelte die Hand. »Der hat ja einen Kiefer wie ein Felsbrocken.«
»Ist auch wie einer umgefallen.« Macro setzte einen schweren Sack ab, aus dem es metallisch klirrte. »Ich möchte jedenfalls nicht mit deiner Faust Bekanntschaft machen.«
Figulus kicherte. »So wie die anderen Trottel, die wir vor dem Vorratszelt plattgemacht haben.«
»Ja. Sehr witzig. Dummerweise hat dich der da erkannt. Weißt du, was das bedeutet?«
»Ich weiß, Herr. Sollen wir
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