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Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Fenster befand sich an einer fernen Ecke des Zimmers, unmittelbar über der Haustür, und wurde von dem Hof flankiert.
    »Kommt, Mr. Balfour,« riefen sie alle, »kommt her und seht! Ein wunderschönes Geschöpf! Die ganzen letzten Tage hält sie sich zusammen mit den zerlumpten Kerlen hier in einem Winkel des Hofes auf, und doch scheint sie eine vollkommene Dame!«
    Ich hatte es nicht nötig, hinzusehen; und ich schaute auch nicht zweimal oder gar zu lange hin. Ich fürchtete, sie könnte mich dort entdecken, wie ich aus dem Musikzimmer auf sie herabblickte, während sie da unten stand und für ihren Vater drinnen im Hause, dessen Bitten ich eben erst zurückgewiesen hatte, vielleicht unter Tränen um Gnade flehte. Aber schon der eine Blick genügte, um mir eine bessere Meinung von mir selbst zu geben und meine Angst vor den Damen zu verscheuchen. Sie waren schön, das stand außer jedem Zweifel, aber Catriona war auch schön, zudem von einer Art innerlichem Feuer wie eine glühende Kohle. In dem Maße, wie die anderen mich bedrückten, steigerte sie mein Selbstvertrauen. Es fiel mir ein, daß ich mich mühelos mit ihr unterhalten hatte. Wußte ich mit diesen vornehmen Fräulein nichts anzufangen, so war das vielleicht deren eigene Schuld. In meine Verlegenheit begann sich jetzt ein wenig Humor zu mischen, der meine Stimmung etwas hob; und wenn die Tante von ihrer Stickerei aufsah und die drei Töchter mir wie einem Baby schöntaten, während auf »Papas Befehl« aus jeder ihrer Mienen zu lesen war, hätte ich mitunter selber lachen mögen.
    Nach einer Weile kehrte Papa zurück, immer noch der gütige, fröhliche, liebenswürdige Mann. »Jetzt, Mädchen, muß ich Euch Mr. Balfour wieder entführen; ich hoffe aber, es ist Euch gelungen, ihn zur Rückkehr dorthin zu bewegen, wo ich ihn stets gerne sehen werde.« Also machten sie mir alle ein billiges Kompliment, und ich wurde abgeführt. War dieser Besuch im Schoße der Familie geplant, um meinen Widerstand zu beugen, so scheiterte er kläglich. Ich war kein solcher Esel, nicht zu merken, welche traurige Rolle ich gespielt hatte; und erkannte, daß die Mädchen sich zu Tode gähnen würden, sobald sie nur meinen steifen Rücken sähen. Ich fühlte genau, wie wenig ich gezeigt hatte, was an Zartem und Liebenswürdigem in mir lebte; so sehnte ich mich denn danach, beweisen zu können, daß ich zum mindesten des andern Stoffs, des Harten und Gefährlichen, nicht entbehrte. Nun, ich sollte meinen Willen haben, denn die Szene, die jetzt meiner harrte, war von ganz anderer Art.
     

Weiland Herr von Lovat
     
    Ein Mann erwartete uns in Prestongranges Studierzimmer, den ich schon auf den ersten Blick nicht ausstehen konnte, so wie man ein Frettchen oder einen Ohrwurm verabscheut. Er war bitter häßlich, schien jedoch ein vollkommener Gentleman und hatte ein stilles Wesen, das indes plötzlicher Attacken und heftiger Zornausbrüche fällig war, und eine leise Stimme, die, wenn es ihm paßte, schrill und drohend werden konnte. Der Staatsanwalt stellte uns auf zwanglos liebenswürdige Art vor. »Das hier, Fraser,« meinte er, »ist Mr. Balfour, von dem ich Euch erzählt habe. Mr. David, Mr. Simon Fraser, den wir früher unter einem anderen Namen kannten – aber das ist eine alte Geschichte. Mr. Fraser hat etwas mit Euch zu besprechen.« Mit diesen Worten trat er zu seinen Bücherschränken und machte sich am andern Ende des Zimmers mit einem Quartbande zu schaffen. So blieb ich allein mit dem Menschen, den ich von allen auf der Welt am wenigsten erwartet hätte. Die Art der Vorstellung ließ keinen Zweifel zu; dieser Mann konnte niemand anders sein als der verfehmte Herr von Lovat, das Haupt des großen Clans Fraser. Ich wußte, daß er sich während der Rebellion an die Spitze seiner Leute gestellt hatte; ich wußte, seines Vaters Kopf – der Kopf des alten Lords, des »grauen Fuchses vom Berge« – war jenes Verbrechens wegen auf dem Block gefallen, und das Vermögen der Familie war sequestiert und ihr Adel gelöscht. Ich konnte mir nicht denken, was er in Grants Haus zu schaffen hatte; ich kam nicht auf den Gedanken, daß man ihn an das Gericht berufen hätte, daß er seine ganze Überzeugung abgeschworen und jetzt so weit um die Gunst der Regierung buhlte, daß er sich nicht scheute, in der Appiner Mordsache als stellvertretender Staatsanwalt zu erscheinen. »Nun, Mr. Balfour,« hub er an, »was sind das für Dinge, die ich von Euch hören muß.« »Es kommt mir nicht

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