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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Augenblicke fast, wo sie denselben betraten, ein Hauderer oder Personenwagen, mit dem Anhaltiner Wappen am Wagenschlage, vorüberrollte.
    »War das nicht der askanische Bär?« fragte St. Arnaud.
    »Zu dienen. Und zwar der askanische Bär an einem emeritierten Postwagen aus guter alter Zeit, wo das Herzogtum Anhalt noch eine selbständige Postverwaltung hatte. Die nunmehr längst meistbietend versteigerten Wagen laufen nur noch als Hauderer durchs Land und predigen einen Wechsel der Dinge, der mich in meiner Eigenschaft als Deutscher beglückt, in meiner Spezialeigenschaft als zu Haus Anhalt haltender Berliner aber ebenso betrübt wie verletzt. Denn worin hat speziell Berlin den Ursprung und die Wurzel seiner Kraft? Einfach in dem jetzt hinsterbenden Askaniertum, dem es nicht bloß seinen Wappen-Bären, sondern in gleichem Grade sein Gedeihen und seinen Ruhm verdankt. Und wie lohnt es diesem Askaniertum? Ich hatte schon gestern die Ehre, mich gegen die gnädige Frau darüber aussprechen zu können. Wenn ich sage ›durch Mißachtung‹, so mach ich mich insoweit noch einer erheblichen Beschönigung schuldig, als Haus Anhalt einfach einer gewissen Komik verfallen ist, die sich tagtäglich in den traurigsten Berlinismen Luft macht. Urteilen Sie selbst. Erst vorgestern war es, daß ich in einem diese Frage berührenden ernsten Gespräch der ganz unqualifizierbaren Antwort begegnete: ›Versteht sich, Anhalt-Dessau. Denn wenn wir Dessau nicht hätten, so hätten wir auch nicht den alten Dessauer, und wenn wir den alten Dessauer nicht hätten, so hätten wir auch nicht: So leben wir!‹ «
    »Ah«, sagte der Oberst, »das waren die zwei Berliner an der Table d'hôte. Dergleichen darf man nicht übelnehmen. Die Berliner sind Spaßmacher und gefallen sich in ironischen Bemerkungen und Zitaten.«
    »Und treffen dabei meistens den Nagel auf den Kopf«, setzte der Emeritus hinzu. »Denn Sie werden, mein hochverehrter Herr Eginhard, doch nicht allen Ernstes verlangen, daß wir uns im Zeitalter Otto von Bismarcks auch noch für Otto den Faulen oder gar für Otto den Finner interessieren sollen?«
    »Doch, mein Herr Emeritus. Zu den schönsten Zierden deutscher Nation zähl ich Loyalität gegen das noch lebende Fürstengeschlecht und unwandelbare Pietät gegen die, die bereits vom Schauplatz abgetreten sind.«
    »Eine Forderung, mein hochverehrter Herr Aus dem Grunde, die sich leichter stellen als erfüllen läßt. Andauernde Treue gegen das Alte macht die Treue gegen das Neue nahezu zur Unmöglichkeit; aber unmöglich oder nicht, es ist jedenfalls ein gefährliches Evangelium, das Sie da predigen. Denn was Albrecht dem Bären recht ist, ist Heinrich dem Löwen billig, und doch möcht ich Ihnen nicht anempfehlen, Ihren unentwegten Enthusiasmus für emeritierte Postkutschen (Sie selbst geruhten diesen Ausdruck zu gebrauchen) von Haus Anhalt auf das Haus Welf übertragen zu wollen. Es gibt eben leichte und schwere Pietäten, und die letztern sind nicht jedermanns Sache, was auch kaum anders sein kann. Und um schließlich auf diesem nur allzu heiklen Gebiet auch noch ein Wort von mir selber zu sagen, so bin ich fester Braunschweiger trotz einem. Aber wenn heute mein Herzog stirbt und morgen ›der Preuß‹ uns annektiert, so bin ich übermorgen loyaler Preuße. Nur keine Prinzipienreiterei, mein hochverehrter Herr Aus dem Grunde. ›Das Wort sie sollen lassen stahn‹,
das
ist Recht und Ordnung, dafür bin ich da, das ist Gewissenssache. Für alles andre aber haben wir die Vernunft. Treue! Man muß die Welt nehmen, wie sie liegt, und danach treu sein.«
    »Oder untreu.«
    »Meinetwegen.«
    Und dabei lächelte der Emeritus mit überlegener Miene.
     
    Der so voraufschreitenden Kolonne folgten Gordon und Cécile.
    Nach rechts hin, auf Blankenburg zu, lagen weite Wiesen und Ackerflächen, während unmittelbar zur Linken ein Waldschirm von geringer Tiefe stand, der unsere Reisenden von der steil abfallenden Talschlucht und der unten schäumenden Bode trennte. Dann und wann kam eine Lichtung, und mit Hülfe dieser glitt dann der Blick nach der anderen Felsenseite hinüber, auf der ein Gewirr von Spitzen und Zacken und alsbald auch der Hexentanzplatz mit seinem hellgelben, von der Sonne beschienenen Gasthause sichtbar wurde. Juchzer und Zurufe hallten durch den Wald, und dazwischen klang das Echo der Böller-und Büchsenschüsse von der Roßtrappe her.
    »Es ist doch ein eigen Ding um die Heimat«, sagte Gordon, »sie sei, wie sie sei.

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