Century Love - Tödliches Fieber: Roman (German Edition)
unsichtbar zu sein. Ich ging im Schatten, unterhielt mich mit niemandem, saß ganz hinten und mied jeden Blickkontakt. Doch auf einmal merkte ich, dass man mich ansah. Die Jungen interessierten sich plötzlich für mich und wollten am Wochenende etwas mit mir unternehmen.
Ein kleiner, tief vergrabener Teil meiner Persönlichkeit hätte die Gesellschaft genossen und wäre gern mit ihnen ausgegangen, doch mein Instinkt riet mir, es zu lassen. Sie würden die Wahrheit über mich herausfinden. Ich versuchte, sie nicht zu beachten, aber sie ließen nicht locker. Ich probierte es mit Grobheit, aber sie lachten nur, als würde ich mit ihnen flirten. Dann schnitt ich mir die Haare ab und trug nur noch Schlabbersachen – auch das funktionierte nicht. Mein Bedürfnis nach Abstand machte sie nur noch heißer, und als Jason Drummond mit Sophie Scott Schluss machte, weil er mich angeblich toller fand, hörten auch die Mädchen auf,mich zu ignorieren. Im Gegenteil, nun hassten sie mich. Und von Mädchen gemobbt zu werden, war kein Vergnügen.
Es war höchste Zeit, von dort zu verschwinden.
Allerdings hoffte ich, diesmal um einen Schulverweis herumzukommen. Schließlich war es gesetzlich erlaubt, mit sechzehn von der Schule zu gehen. Leider hatte ich den Fehler gemacht, nur Bestnoten zu bekommen. Dadurch hatte ich den Durchschnitt an der Downley-Gesamtschule erheblich verbessert und man vertraute darauf, dass es bis zum Abschluss so weiterging. Als ich also verkündete, abgehen zu wollen, wurden meine Eltern angerufen, die mich von nun an jeden Morgen zum Schultor brachten. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen und verfiel doch wieder auf meinen alten Hacker-Trick. Nach zwei Wochen hatten sie mir nicht nur die Rote Karte gezeigt, sondern auch noch eine Vorstrafe verpasst.
Ich blieb stehen und starrte auf den Fluss.
Nach diesem Rückblick musste ich zugeben, dass mein Leben eine erbärmliche Abfolge des Scheiterns war. Ich hatte alles vermasselt. Ich war straffällig geworden. Ich hatte in der Schule versagt – schon zum zweiten Mal. Nicht einen einzigen Freund hatte ich gewonnen, ja nicht einmal meine eigene Mutter liebte mich – das musste man erst mal schaffen.
Kein Mensch wollte etwas mit mir zu tun haben.
Ich zitterte, weil es kalt wurde. Um mich aufzuwärmen, ging ich weiter, ohne zu wissen, wohin, bis ich merkte, dass mich meine Füße zu meinem alten Zufluchtsort, der Bibliothek, gebracht hatten.
Ich ging hinein und setzte mich in meiner angestammten Ecke vor einen Bildschirm. Jemand hatte eine Zeitung auf dem Tisch liegen lassen. Die Stellenanzeigen waren aufgeschlagen.
In dem Moment traf es mich wie ein Blitz. Ich konnte arbeiten! Ich war sechzehn, und wenn ich Arbeit hatte, konnte ich es mir vielleicht leisten auszuziehen – weg von meinen Eltern und ihrem Liebling Ted!
Ich verspürte einen Hauch von Optimismus. Könnte ich vielleicht in einem wissenschaftlichen Labor arbeiten? Wo sie vielleicht sogar ein Elektronenmikroskop hatten? Das wäre nicht schlecht. Das wäre sogar ziemlich gut.
Mit zitternden Fingern surfte ich im Netz. Ich gab ein: Jobs in der Forschung – Elektronenmikroskop . Jede Menge technische Stellenangebote tauchten auf. Mein Herz klopfte, als ich sie mir näher ansah. Die meisten waren zwar in den USA, aber in Großbritannien wurde auch einiges angeboten …
Für jemanden, der so schlau war, konnte ich ganz schön blöd sein.
Wie konnte ich erwarten, dass jemand einer sechzehnjährigen Vorbestraften ohne Ausbildung Zutritt zu seinem kostbaren Forschungslabor gewährte?
Ich las eine Stellenanzeige nach der anderen, aber überall wurde das Gleiche verlangt, etwa »drei Jahre Berufserfahrung bla bla … Promotion … einschlägige Fachkenntnisse …«
Ich hatte nicht einmal einen Schulabschluss. Ohne konnte ich froh sein, wenn ich in einem Hotel die Betten machen durfte. Ich wollte schon meine Eingabe im Suchfeld löschen, doch aus Versehen doppelklickte ich auf Elektronenmikroskop und ein neuer Eintrag wurde geladen.
St. Magdalene’s erwarb Elektronenmikroskop …
Ohne großes Interesse klickte ich auf den Artikel und fing an zu lesen. Der Name St. Magdalene’s kam mir bekannt vor. Ich war beim Recherchieren darauf gestoßen, es ging um eine alte römische Begräbnisstätte oder so …
Ich las weiter.
Die St.-Magdalene’s-Schule in der Londoner Innenstadt erwarb kürzlich für £1,8 Millionen ein Rasterelektronenmikroskop. St. Magdalene’s ist einzigartig –
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