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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bergmann
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Vierteljahrhundert, begrub bald nach dem Vater auch den Bruder, heiratete und bekam zwei Kinder. Antonio und seine um ein Jahr jüngere Schwester Elena. Die gleichaltrige Chiara, Tochter von Federicos bestem Freund Stefano Fontana, war ihnen wie eine Schwester gewesen. Sie verbrachte Wochen, manchmal Monate auf dem Gut. Immer, wenn es ihrer Mutter schlecht ging. Das tat es 13 Jahre lang fast ohne Unterbrechung. Dann starb Chiaras Mutter und sie zog ganz zum Vater nach Florenz. Federico kämpfte so lange er konnte, seine Weinberge schmolzen dahin, die Schulden wuchsen bedrohlich, schließlich gab er auf. Das war nun einige Jahre her. Nach dem Tod seines Vaters versuchte Antonio, den längst verlorenen Kampf ums Gut fortzusetzen. Doch bei ihm erschien es nur mehr als Farce, Don Quichotterie. Seine Tante Rosa brachte es einmal so auf den Punkt:
    „Giuseppe war wie ein steinhart aufgepumpter Reifen, bei Federico war nicht mehr viel Luft drin, Antonio fährt auf der Felge.“ Sie hatte kurz überlegt und sich verbessert. „Nein. Antonio steht auf der Felge und glaubt zu fahren.“
    Es war nicht sein Verdienst, dass sich die Verwertung des restlichen Besitzes so lange verzögert hatte. Die Gläubiger waren untereinander uneins gewesen.
    Doch jetzt würde eine Gesellschaft aus Deutschland das Gut der Parellos und die Reize der Toskana auf ihre Weise nutzen. Ein bisschen Weinbau, viel Tourismus. Antonio und Elena bekamen vom Kaufpreis keinen Cent. Sie mussten sich glücklich schätzen, dass die Banken sie endlich in Ruhe ließen.

9___
    Antonio nahm zwei Stablampen aus dem Kofferraum. Eine große Ballonmütze stülpte er fest über Chiaras dunkelblonde Locken.
    „Was machst du?“, protestierte sie.
    „Lass sie an“, sagte er. „Es ist lange her, seit da drinnen sauber gemacht wurde.“
    Er selbst setzte eine ebenso lächerliche Kappe auf. Das alte Schloss des großen Eingangstors hing zerbrochen herab. Ein kleines, zartes Vorhangschloss hielt die schweren Flügel nun mühsam zusammen. Antonio öffnete es. Die Flügel schwangen auf, Licht fiel in das Halbdunkel der Eingangshalle. Der Raum stand leer. Von der Decke hingen Spinnweben, dick verstaubt, wie die Dekoration zu einem Horrorfilm aus den Kindertagen des Kinos. Langsam gingen sie durch die Zimmer. Ihre Lampen brauchten sie nicht. Die Fenster waren von außen nachlässig mit Brettern vernagelt. Durch die Spalten fiel genügend Licht, um zu zeigen, dass hier lange kein Mensch gegangen war. Zahllose Fährten kleiner Tiere kreuzten sich vielfach in der Staubschicht auf den Böden.
    Beide kannten das Haus aus einer Zeit, als es vor Leben pulsierte und von früh bis spät eine Vielzahl von Stimmen lachend, schimpfend, schwatzend und singend die Räume erfüllt hatte. Nun erfüllte sie nur noch gleichgültige, stumme Leere. Denn das Inventar war längst zu Geld gemacht worden. Zuerst die wertvollen Stücke, noch mit der festen Absicht, sie zurück zu kaufen, wenn es wieder besser ging. Dann die weniger wertvollen Möbel, schließlich der gesamte nach der Übersiedlung übrige Hausrat, Lastwägen voll davon. Zurück blieb nur, was nicht einmal der billigste Trödler haben wollte. Verblichene Kunstdrucke und Kalender an den Wänden, Stapel alter Zeitungen, Lumpen, die Reste einiger zerschlagener Sessel, die Scherben zersplitterter Fenster, tote Kabel, die aus den Wänden ragten und von den Decken baumelten. Antonio stand inmitten der großen Küche, ehemals der Mittelpunkt des geschäftigen Haushalts. Wie eine Skulptur von Giacometti stand er da, groß und dürr, ratlos und hilflos. Mit dünner Stimme fragte er: „Was werden sie daraus machen?“
    Statt einer Antwort strich Chiara über seinen Arm. Als sie wieder in der Eingangshalle standen, hatten sie eine Spur im Staub hinterlassen wie zwei Spaziergänger im frischen Schnee. Antonio reichte ihr eine der Lampen.
    „Gehen wir in den Keller.“
    „Du glaubst immer noch daran?“
    Sie lächelte. Antonio lachte selbst.
    „Warum nicht an Wunder glauben?“
    Sie gingen in den hinteren Teil der Halle, wo eine steinerne Treppe direkt in den Keller führte.
    Über abgetretene Stufen gelangten sie zur schweren Tür in Fischgrätbauart, die ihnen als Kinder wie das Tor zu einer anderen Welt erschienen war. Zur Zwischenwelt des riesigen Weinkellers, der in seinem vorderen, geschäftigen Bereich noch ganz zum Haus, zur Alltagswelt gehörte. Der immer ruhiger und geheimnisvoller wurde, je tiefer man vordrang in die langen Gänge

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