Code Freebird (German Edition)
Moto – more of that obvious, schimpften seine Kameraden die ewig gleiche und durchsichtige Kriegs- und Rechtfertigungsrhetorik der Offiziere und Politiker.
Moto. Das war auch er, längst vor Beginn des Krieges. Aus seinem Mund kam nur Moto. Er predigte es in allen Formen, zu jeder Tageszeit, zu jedem Anlass. Moto, das war sein Job gewesen. Schafe konnten nicht dümmer sein, wenn sie zur Schlachtbank geführt wurden und sich an die Hand ihres Hirten schmiegten.
Er war Moto, als er zu Sergeant Boyles Truppe stieß. Sie misstrauten ihm, er bewunderte sie. Es sollte eine Zeit brauchen, bis sie ihn als ebenbürtig akzeptierten, als einen der ihren – einen gottverdammten Killer.
Aus Moto wurde Freebird. Aber erst, nachdem er seine Kampfstärke unter Beweis gestellt hatte. Geschenkt wurde ihm nichts. Wenn er einer von ihnen sein wollte, dann musste er schwitzen, frieren, hungern, dursten, gehorchen, kämpfen und töten, wie sie es taten. Es sollte nicht lange dauern, bis er eine M-60 zur Hand nahm, um seinen Teil zur gerechten Sache beizutragen. Das Schießen war ihm nicht fremd, schließlich hatte zu Hause ein jeder das Recht auf eine Waffe. Doch Hasen und Vögel sind eine Sache, eine andere flüchtende Irakis.
Obwohl sie im eigentlichen Sinne Ausländer für ihn waren, so wie Mexikaner, Kubaner und Araber in seiner Heimat, die sich die Leistungen des Landes erschlichen, fiel es ihm nicht leicht, auf diese … Kerle zu schießen.
Die Einsatzregeln, die für jeden kämpfenden Soldaten galten, machten es ihm auch nicht gerade einfach, zwischen offiziellem Feind und Zivilist zu unterscheiden. Zu oft verschanzten sich diese Feiglinge hinter Frauen und Kindern oder agierten in Zivilkleidung.
Schon bald aber wurden die Regeln geändert. Das erleichterte die Zielerfassung. Jeder, der sich ihnen in den Weg stellte oder sich unerlaubt entfernte, war ein Feind. Und wer sich nicht mehr bewegen konnte, sollte seine verdienten drei Kugeln bekommen. Death-Check. Kein Offizier hatte daran etwas auszusetzen, schließlich wollte jeder gesund und sicher in die Heimat zurückkehren. Nichts war schlimmer als eine Kugel in den Rücken.
Mit Death-Checks erhöhte man seinen persönlichen Body Count – die Anzahl der getöteten Feinde. Ein Death-Check brachte einen Punkt, ein aus der Kampfhandlung heraus getöteter Feind zwei bis fünf, je nach Schwierigkeitsgrad.
Freebird hatte es am Ende der drei Wochen auf dreizehn Punkte gebracht. Nicht schlecht für einen Moto.
Nach dem dritten Punkt durfte er sich einen Kampfnamen aussuchen. Aber erst nachdem alle über ihn hergefallen waren, um seinen Kopf in Scheiße zu tunken und ihn mit ihren Kampfmessern zu traktieren. Das war das Aufnahmeritual in den Kreis der Killer.
Der Blade Runner hatte ihn gefragt, wieso er sich so einen uncoolen Namen wie Freebird ausgesucht hatte. Terminator oder Riddick seien doch viel zeitgemäßer, sie würden besser zu ihnen passen, dem Blade Runner, dem Cleaner, dem Predator und zu Bad to the Bone.
Florida, das sei seine Heimat, antwortete er. Das einzig Gute, was je aus Florida gekommen ist, war seine Band, Lynyrd Skynyrd. Ihr Song Freebird war die Antwort auf Moto.
Der Blade Runner verstand es nicht, dafür war er viel zu jung. Seine Musik stammte von Ecstasy-gedopten Computerprogrammierern und nicht von schweißüberströmten Jack-Daniel’s-Trinkern.
Er lachte, ja, das könnte stimmen. Get some!
Yeah, get some, rief auch Freebird.
Dann streiften sie ihre Ponchos über, und jeder legte sich in sein eigenhändig ausgehobenes Soldatengrab, ein rund fünfzig Zentimeter tiefes und mannslanges Loch, um gegen Granateneinschläge geschützt zu sein.
«Hey, Freebird», flüsterte der Blade Runner von Loch zu Loch. Über ihnen erstreckte sich ein eiskalter und sternenklarer Nachthimmel. «Was wirst du tun, wenn diese Scheiße vorüber ist?»
«Keine Ahnung. Vielleicht schreibe ich ein Buch.»
«Worüber?»
Freebird lachte. «Über diese Scheiße hier. Was sonst.»
«Im Ernst? Werde ich darin auch vorkommen?»
«Sicher. Du bist doch der Blade Runner.»
«Yeah», tönte es aus dem Nachbarloch zurück. «Ich bin der verfickte Blade Runner, der größte und brutalste Killer aller Zeiten.»
Freebird schmunzelte. Er stellte sich ihn vor, wenn er mit seinen Freunden wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben eine Buchhandlung betreten würde, um ein Buch zu kaufen, in dem er die Hauptrolle spielte.
«Get some», flüsterte Freebird.
«Get some»,
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