Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
Tablet gegriffen hat, der die ganze Zeit vor ihr stand und über dessen Webcam ich sie sehen kann.
»Ich zeige dir was«, höre ich ihre Stimme sagen und die Kameralinse schwenkt herum, fängt jetzt das Esszimmer ein, wo ich, als Sarah den Tablet wieder ruhig hält, Grace und Jonathan sehe. Mir fällt wieder auf, was für ein schönes Paar die beiden sind, sie zierlich und rotblond, er groß und schwarzhaarig, und offensichtlich sehr verliebt, denn sie stehen noch auf der letzten Stufe der Treppe, die sie gerade heruntergekommen sind, und küssen sich. Als sie damit endlich aufhören und die letzte Stufe nach unten gehen, bleiben sie ein weiteres Mal stehen, und während sie miteinander reden, legt Jonathan die Hand auf Grace’ Bauch, der sich schon deutlich wölbt. Sie ist im fünften Monat, hat sie mir vorhin stolz erzählt, und das Kind ist gerade Thema bei den beiden, wie ich unschwer erkennen kann.
»Siehst du das?«, sagt Sarah. »So geht das hier ständig – sie knutschen wie zwei frisch Verliebte, obwohl sie jetzt schon fast genauso lange verheiratet sind wie Alex und ich.«
»Ihr beide knutscht auch«, protestiere ich und höre sie lachen.
»Ja, stimmt. Aber so schlimm wie Jonathan und Grace waren wir nie. Manchmal hat man das Gefühl, dass sie ohne einander gar nicht sein können. Und jetzt kriegen sie sogar ein Baby, obwohl er eigentlich nie Kinder wollte, und er macht uns alle wahnsinnig mit seiner Überfürsorge. Das ist …« Ich höre, wie sie schluckt. »Ich kann das manchmal immer noch nicht glauben, wie sehr er sich verändert hat. Er hat jahrelang niemanden an sich rangelassen, aber dann kam Grace, und bei ihr war auf einmal alles anders. Dabei hätte niemand damals auch nur einen Penny darauf verwettet, dass das was wird mit den beiden, weil sie angeblich überhaupt nicht zusammenpassen.«
Sie schwenkt den Tablet wieder herum und beugt sich vor, nachdem sie ihn aufgestellt und das Bild sich beruhigt hat, spricht leiser, damit die beiden im Nebenzimmer sie nicht hören.
»Was ich damit sagen will ist: Gib der Sache mit dir und Matteo doch eine Chance. Was hast du schon zu verlieren außer dem Langweiler Nigel?«
Sie lächelt, und ich will darauf antworten und Nigel verteidigen, aber Jonathan und Grace kommen jetzt in die Küche und damit ist mein Vier-Augen-Gespräch mit Sarah beendet, die es jetzt auch eilig hat.
»Alex und ich wollen gleich noch zu meinem Vater nach Lockwood, deshalb muss ich los. Aber wir telefonieren ganz bald noch mal, ja? Und denk dran, was ich dir gesagt habe!«
Ich nicke und zwinge mich zu einem Lächeln, während Sarah mir zuzwinkert und ein letztes Mal winkt. Dann trennt sie die Verbindung, der Bildschirm wird schwarz und ich bin wieder allein.
Eine Weile starre ich trotzdem weiter auf mein Netbook und bin mir der Stille im Zimmer – trotz des Straßenlärms, der von unten zu mir hochschallt – auf unangenehme Weise bewusst.
Ich war mir so sicher, dass Sarah mich versteht. Mich darin bestärkt, dass ich auf gar keinen Fall mehr zu Matteo zurückgehen darf – weil ich mich selbst nicht mehr kenne, seit ich ihm begegnet bin. Weil alles andere, das vorher in meinem Leben zählte, plötzlich unwichtig zu werden droht – und das kann nicht gut sein. Dass sie das so komplett anders sieht, hat mich ziemlich schockiert, und jetzt bin ich noch verwirrter als vorher.
Ein Teil von mir – der, der heute Morgen lieber geblieben wäre – möchte auf sie hören und der Sache eine Chance geben. Unbedingt sogar. Warum nicht einfach leichtsinnig sein und es darauf ankommen lassen, ganz egal, was am Ende, wenn ich zurück nach London muss, dabei herauskommt?
Ich atme tief durch und spüre wieder dieses Ziehen in meiner Brust, so als würde ein schweres Gewicht darauf liegen. Weil das Risiko zu groß ist – deshalb, denke ich, ein bisschen verzweifelt. Wahrscheinlich hatte Andrew recht, ich bin zu ernsthaft für diese Affäre. Matteo kann seine Gefühle da vielleicht raushalten, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann. Es stimmt, was Sarah gesagt hat – ich handle sonst nie so unüberlegt, und ich kann es mir auch eigentlich gar nicht leisten. Denn wie soll ich zurückkehren nach London, in mein Leben, so wie es war, wenn ich hier mein Herz verliere? Und zurückkehren muss ich definitiv, es gibt keine Alternative. Meine Eltern brauchen mich. Also sollte ich mich besser nicht in etwas hineinsteigern, das keine Zukunft hat.
Ich schließe die Augen, möchte an
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