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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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durch den Hintereingang oder schlüpft nachts unbemerkt durch dein Schlafzimmerfenster.
    Wochen erbitterter Anstrengung und Naturerkundung folgten. Ich versuchte es mit einem Seestern, einem Drosselei, einer Sammlung gepreßter Feuernelken und Glockenblumen und einer Schachtel Porzellanscherben mit Weidelandschaftsmotiven, die die Viktorianer nur zu dem einen Zweck in der Erde verbuddelt haben, um Schatzsuchern im zwanzigsten Jahrhundert eine herbe Enttäuschung zu bereiten. Keinem der Ausstellungsstücke war auch nur der geringste Erfolg beschieden. Nach acht Schulwochen konnte ich die Liste der Naturkundetischgewinner auswendig herunterbeten:
    Mary Hench
    Mary Hench
    Jacqueline Wright
    Ian Adams
    Jimmy Speed
    Mary Hench
    Mary Hench
    Als ich eines Sonntagabends endlos mit dem Fahrrad das Stallgebäude neben unserem Haus umkurvte und mir den Kopf zermarterte, was ich am nächsten Morgen mit zur Schule nehmen könnte, kam Ivan Tubby mit etwas Kleinem, Weichem und Schwarzem in der Hand angelaufen.
    »Hab einen Maulwurf gefunden«, sagte er.
    Der Maulwurf gehörte nicht zu den Exemplaren, die von einer Falle zermatscht und aufgespießt worden waren, sondern war offenbar erst kürzlich eines natürlichen Todes gestorben. Vielleicht waren Mutter und Vater in Fallen getappt, und der kleine Maulwurf hatte den Kopf aus der Erde gestreckt, um nachzusehen, was los war und wo das Abendessen blieb, und hatte dann mit Schrecken erkennen müssen, daß er stockblind und es ihm überhaupt verboten war, sichdort oben bei den überirdischen Zweibeinern und den Tieren mit Augen herumzutreiben. Was auch immer die Todesursache war, der junge Maulwurf befand sich jedenfalls in tadellosem Zustand, das rosa Schnäuzchen und die seitlichen Schaufeln noch warm und wie aus dem Lehrbuch gemalt.
    Ich bettelte, ihn behalten zu dürfen, und Ivan gab großzügig nach, obwohl das Tier eigentlich als Leckerbissen für seine Katze vorgesehen war.
    Am nächsten Morgen raste ich, fiebernd vor Aufregung, die Meile nach Cawston, den Maulwurf in Stroh eingepackt in meinem Schulranzen. Der Tag meines Triumphs war da.
    »Das hier ist ein gemeiner europäischer Maulwurf«, würde ich der Klasse erklären, nachdem ich am Vorabend Pears Familienlexikon eingehend zum Thema Maulwürfe konsultiert hatte. »Maulwürfe verzehren pro Tag eine Nahrungsmenge, die ihrem eigenen Körpergewicht entspricht, und verenden binnen zwölf Stunden ohne ausreichende Nahrung. Innerhalb einer Stunde kann der Maulwurf sich bis zu fünfeinhalb Meter durchs Erdreich arbeiten. Vielen Dank.«
    Ich stellte mir vor, wie ich mich leicht verneigen und den begeisterten Applaus der ganzen Klasse entgegennehmen würde, mit Ausnahme einer schmollenden Mary Hench mit bleichen Lippen, von deren läppischer Zahnspinnerraupe oder protzig arrangiertem Schleiereulen-Gewölle niemand Notiz nahm.
    Ich stellte mein Fahrrad ab und rannte zum Klassenzimmer, bremste aber vor der Tür ab, um möglichst lässig und unbeteiligt zu wirken.
    »Sieh an, du bist heute morgen aber sehr früh dran, Stephen Fry.«
    »Ach wirklich, Miss? Stimmt, Miss.«
    »Und das da? Ist das dein Fundstück für den Naturkundetisch?«
    »Ja, Miss. Es ist ein ...« Vor lauter Aufregung stockte ich.
    »Nicht verraten, mein Junge. Warte, bis alle da sind. Leg es auf den Tisch und ... na, was ist denn jetzt wieder passiert?«
    Auf dem Schulhof war plötzlich ein wildes Toben und Schreien zu hören. Miss Meddlar und ich gingen ans Fenster und reckten die Hälse, um den Grund des Aufruhrs ausfindig zu machen. In dem Augenblick kam Jimmy Speed, ein zerzauster, tintenverschmierter Bursche, der ständig ein blödes Grinsen im Gesicht hatte, als ob er alle anderen für meschugge hielt, in die Klasse gestürzt.
    »Oh, Miss, Miss. Sie ahnen’s nicht! Sie ahnen’s nie und nimmer!«
    »Was ahne ich nicht, Jimmy Speed?«
    »Mary Hench, Miss! Sie hat einen Esel für den Naturkundetisch mitgebracht. Einen lebendigen Esel! Kommen Sie, er steht draußen im Hof! Einfach phantastisch, nur weiß ich nicht, wie wir ihn auf den Tisch kriegen wollen.«
    »Einen Esel!« Miss Meddlar lief vor Aufregung rot an, strich sich ihr Kleid glatt und eilte zur Tür. »Einen Esel! Gütiger Himmel!«
    Ich starrte auf meinen kleinen Maulwurf und brach in Tränen aus.
    Am Ende der Woche, als Mary Hench und ihr Esel nicht mehr das einzige Gesprächsthema der ganzen Schule waren, nahm Mr. Kett mich auf dem Schulhof beiseite.
    »Guten Morgen, junger Mann«, sagte er. »Du

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