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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Sonnenuntergängen hat mich seither immer wieder in Angst und Schrecken versetzt.
    »Gütiger Himmel, Liebling«, sagte meine Mutter. »Was ist das für ein furchtbarer Gestank?«
    »Toter Maulwurf, was denn sonst?« gab ich schnippisch zurück, während ich die Hintertreppe hinaufstapfte.
    »Na, dann aber flott in die Wanne.«
    »Was denkst du, was ich vorhabe? Meinst du, ich ... ich will oben Crocket spielen ?«
    Nicht gerade die schlagfertigste Antwort, aber was Schnippischeres fiel mir im Moment nicht ein.
    Übers Wochenende verschwendete ich nicht einen Gedanken an den Naturkundetisch. Draußen regnete es, so daß ich allen Grund hatte, im Haus zu bleiben und die Natur schnuppe sein zu lassen.
    Erst als ich am Montagmorgen zur Schule radelte, fiel mir ein, daß ich nichts zu präsentieren und vorzustellen hatte.
    Einen Stock, dachte ich. Ich lege einfach einen stinknormalen Stock hin. Wenn sie schon mit einem Maulwurf nichts anfangen können, müssen sie sich eben mit einem Stock zufriedengeben. Schließlich hat auch ein Stock seine Reize. Die Natur besteht ja nicht nur aus Eseln, Otterlosung, Seeschwalbeneiern, Koipusschädeln und anderem kriechenden und stinkenden Getier. Ich bringe einen toten Stock mit.
    Flugs hob ich den nächstbesten Stock von der Straße auf. Ein ganz und gar unauffälliger Stock. Tot, aber immerhin schlicht und ohne Anzeichen von Verwesung. Und obendrein nützlich, was man von einem sich auflösenden Maulwurf, der einem häppchenweise auf die Füße tropft, nicht gerade behaupten kann.
    Ich trug den Stock in die Klasse und legte ihn herausfordernd auf den Naturkundetisch.
    »Also denn«, sagte Miss Meddlar, nachdem sie die wöchentliche Ausbeute mit der unerträglichen Seelenruhe einer Rentnerin an der Kasse begutachtet hatte. »Nun gut. Alle haben sich wieder einmal große Mühe gegeben. Ich muß gestehen, ich hatte die leise Sorge, du würdest uns diese Woche mit einem ausgewachsenen Elefanten beglücken, Mary, aber deine Eichelhäherfeder ist auch sehr hübsch, wirklich prima. Aber wißt ihr was? Der Stern geht in dieser Woche an ... Stephen Fry.«
    »Häh?«
    Ein Dutzend ungläubiger Augenpaare blickte abwechselnd auf mich, Miss Meddlar und den unscheinbaren Stock, der eben wie ein stinknormaler Stock auf dem Naturkundetisch lag.
    »Komm doch bitte nach vorn, Stephen Fry.«
    Verwirrt schlurfte ich nach vorn.
    »Du bekommst den Stern nicht für deinen Stock, auch wenn es ein wirklich prächtiger Stock ist. Du bekommst den Stern dafür, am Freitag den Maulwurf weggeschafft zu haben ...«
    »Entschuldigung, Miss?«
    » ... weil das verdammte Ding das ganze Klassenzimmer verpestet hat. Selbst im Flur hat es fürchterlich gestunken. Ich war mein Lebtag noch nicht so froh, etwas wieder verschwinden zu sehen.«
    Die Klasse brach in tosendes Gelächter aus, und da ich damals wie heute den Grundsatz pflege, andere sich nie auf meine Kosten amüsieren zu lassen, fiel ich mit ein und nahm meinen Stern so ernst und würdig in Empfang wie nur möglich.
    Insofern war es ziemlich befremdlich, ein Vierteljahrhundert später feststellen zu müssen, daß die Schule mich ausgerechnet wegen dieser belanglosen Episode in Erinnerung behalten hatte und nicht wegen meiner dreisten Lügen und gerissenen Ausflüchte.
    John Kett war, und ist es hoffentlich auch heute noch, Laienprediger und als solcher eine bessere Werbung für das Christentum als der Apostel Paulus. Andererseits sind meinem unqualifizierten Dafürhalten nach auch Judas Ischariot, Nero und Graf Dracula eine bessere Werbung für das Christentum als der Apostel Paulus, aber das ist wiederum ein ganz anderes Thema. Schließlich soll hier niemand mit meinen dilettantischen Gedanken zu theologischen Fragen behelligt werden.
    Das Peinliche an der ganzen Geschichte ist folgendes.
    Bis zu jenem Tag, an dem John Kett und all die anderen mich freudestrahlend mit ihren Andeutungen überfielen, hatte ich fünfundzwanzig Jahre lang nicht einmal an den Maulwurf und alles, was damit zusammenhing, gedacht.
    Seit ich auf dem Fest erschienen war und wie Prinz Michael von Kent von Bude zu Bude zog, hatte ich auf jede verschmitzte Anspielung auf Maulwürfe so getan, als wüßte ich genauestens Bescheid, obwohl ich das Blaue vom Himmel herunterlog. Ich glaubte, die Leute würden sich auf irgendeinen Fernseh-Sketch beziehen, in dem ich mitgespielt und den ich inzwischen längst vergessen hatte.
    So was passiert mir häufig. Ich weiß noch, wie ich vor einigen

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