Computer der Unsterblichkeit
Positionen mißverstehen.«
Kennedys Augen öffneten sich etwas weiter.
»Hm«, machte er und lehnte sich zurück. »Es scheint, wir alle haben die Situation falsch gesehen. Wir haben Sie für einen Gimpel gehalten. Tatsächlich wurden Sie nur unter Anklage gestellt, weil man hoffte, Sie könnten Informationen liefern, wenn man Sie als ersten verhaftete. Mister Carter, ich bitte um Vergebung. Wir haben Ihnen nicht genug Aufmerksamkeit beigemessen.«
»Das ist doch eigentlich nicht Ihre Art«, sagte Joe lächelnd.
»Warum sind Sie nicht eher gekommen? Sicher haben Sie doch meinen Artikel über Bossy gelesen?«
»Ja, Sir, das haben wir. Professor Hoskins wollte damals kommen, und Professor Billings hätte zugestimmt. Aber ich überzeugte sie davon, daß wir noch nicht fertig wären. Wir hatten noch einen bestimmten Test durchzuführen.«
»Und den haben Sie gemacht?«
»Sie wissen es, Mister Kennedy. Sie haben Mable.«
Kennedy nickte. »Das wäre also aus dem Weg«, sagte er. »Ich will keine Zeit mit Leugnen oder Fragen verschwenden, wie Sie es herausgebracht haben. Ich möchte zur Sache kommen. Wie Sie sagten, ich habe Mable. Und Sie haben Bossy.«
»Warum wollen Sie Bossy, Mister Kennedy?«
Joe bewunderte die Geschwindigkeit, mit der Kennedy eine Antwort nach der anderen formulierte und verwarf. Und tief in seinem Innern lag die wahre Antwort wie ein Juwel in einem Schrein verborgen. Es war nicht Macht, nicht einmal Unsterblichkeit, wenigstens nicht als Selbstzweck. Bei Beginn dieses Interviews hatte Kennedy gedacht, alles nach seinen eigenen Vorstellungen regeln zu können. Zwei verschrobene Professoren und ein junger Student, so hatte Kennedy geglaubt, seien seine Gegenspieler. Sollte er Kennedy jetzt wissen lassen, daß sie keine Zeit mit Gesprächen über eine geschützte Freistätte und irgendeinen kleinen Job in einem obskuren Winkel verschwenden würden?
»Sie wollen Bossy aus dem gleichen Grund, aus dem Sie Ihr Unternehmen aufgebaut haben«, sagte Joe trocken.
Im Kopf des alten Mannes ging es für einige Sekunden turbulent zu. Er war beunruhigt, daß der Junge mit seiner Vermutung so haarscharf ins Ziel getroffen hatte. Und darunter mischte sich noch eine unbestimmte Angst – nicht aus rationalen Gründen, sondern weil es sein sorgfältig gehütetes Geheimnis war.
»Soll ich Ihnen sagen, warum Sie Bossy wollen?« fragte Joe. Er bewegte sich auf gefährlichem Boden. Niemand hat es gern, wenn seine innersten Geheimnisse enthüllt werden. Aber Kennedy war nicht umsonst Geschäftsmann und Spekulant großen Stils.
»Tun Sie es, wenn Sie es zu wissen glauben«, sagte er herausfordernd. Gleichgültig, welche abwegigen Ideen der junge Mann auspackte, er konnte jederzeit den Kopf zurückwerfen und lachen, um ihn dann mit einer mitleidigen Bemerkung zu geißeln.
»Es war ziemlich erstaunlich, daß aus einem Geschichtsstudenten ein so überragender Industrieller wurde«, fing Joe an. »Sie sehen, ich habe mich mit Ihnen beschäftigt.«
Kennedy saß schweigend da und betrachtete seine Fingernägel. Dieser junge Mann war wirklich schlau.
»Sie dachten darüber nach, daß man dem Kreislauf der Zivilisation, diesem sich ständig wiederholenden Zyklus von Geburt und Tod, entrinnen müßte.«
Kennedy nickte widerwillig.
»Wie viele andere erkannten auch Sie, daß die Meinungskontrolle das Grab der Zivilisation ist. Also machten Sie sich daran, eine Idee zu verwirklichen. Es war die Idee, im Meer des Chaos eine Insel zu errichten. Sie schufen sich Macht und Wohlstand. Mister Kennedy, Sie wissen besser als ich, daß so etwas nicht übermäßig schwierig ist, wenn man sich diesem Zweck mit allen Kräften widmet. Ihre Idee war es, Forschungslaboratorien, Stiftungen und ähnliche Institutionen unter Ihrem Schutz zu errichten, wo die Menschen auch weiterhin denken konnten. So hofften Sie unsere Zivilisation erhalten zu können. Und nun wollen Sie Bossy, um diesen Zweck weiter zu fördern. Sie suchen Unsterblichkeit, weil Sie wissen, daß Imperien auseinanderfallen und sterben, wenn ihnen die zusammenhaltende Kraft verlorengeht – wie es auch Ihrem Imperium ergehen wird, wenn Sie eines Tages nicht mehr sind.«
»Sie sind ein – ein sehr gescheiter junger Mann«, erwiderte Kennedy unbehaglich. »Aber Sie vergessen, daß ich nicht ganz sterben werde. Ich habe einen Sohn.«
»Den Junior?« Joe zeigte ein unterdrücktes Lächeln.
Das letzte Bollwerk fiel in Trümmer. Jeder Mann hat seine Achillesferse, einen
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