Coq 11
südafrikanisches Territorium? Was, wenn Rumsfeld wieder mit einer Reihe von Lügen an die Öffentlichkeit ging, um seinen eigenen Arsch zu retten? Jedes Krümelchen einer Andeutung von Atomenergie an Bord der U-1 Jerusalem war ihm aufs Brot geschmiert worden. Ganz zu schweigen von dem Fiasko im Mittelmeer.
Wie groß die Katastrophe auch sein mochte, mit den Lügen musste sofort Schluss sein. Dies war der einzige Punkt, von dem sie fest überzeugt war, als der Wagen durch das Tor des Weißen Hauses glitt und sie ihrem Augen-Make-up den letzten Schliff verlieh.
Als sie das dunkle Krisenzimmer im Keller des Weißen Hauses betrat, wurde ihr klar, dass es schwierig werden würde, an diesem Vorsatz festzuhalten. Der Präsident war noch nicht gekommen, aber Rummy und Dick waren beide anwesend. Beide schwiegen beharrlich und wichen ihrem Blick aus.
Als George W. Bush den Raum betrat und alle auf Kommando des wachhabenden Marinesoldaten aufstanden, war er aschfahl im Gesicht und wirkte abwesend. Condoleezza erkannte ihn kaum wieder.
Anstatt die wartenden Marineoffiziere sofort mit ihrem Bericht anfangen zu lassen – ihnen stand ein Kampf gegen die Zeit bevor –, erklärte der Präsident, man müsse zuerst beten. Er selbst wolle das Gebet vorsprechen. Abgesehen davon, dass Gott die Amerikaner beschützen und die Vereinigten Staaten von Amerika segnen möge, war vollkommen unklar, worum es in dem Gebet ging. Alle Anwesenden hatten die Köpfe gesenkt und taten, als würden sie mitmurmeln. Einen Augenblick lang befürchtete Condoleezza Rice, ihr Präsident und Freund habe einen Hirnschlag erlitten.
Als der Offizier vom Nachrichtendienst der Flotte endlich anfangen durfte, kamen die Fakten in aller Schonungslosigkeit ans Licht.
Die Tonaufnahmen von der USS Alexandria waren eine halbe Stunde nach dem Ereignis per Satellit an das Zentralkommando in Tampa, das CENTCOM, geschickt worden.
Eisige Stille breitete sich aus. Alle blickten entweder auf den Boden oder in ihre Unterlagen.
»Meinen Sie, die haben die USS Jimmy Carter versenkt?«, fragte der Präsident schließlich.
»Ja, Mr President!«, antwortete der Vortragende.
»Wissen wir, ob alle unsere Jungs an Bord tot sind?«, fuhr der Präsident nach einer quälend langen Pause fort. Er war in sich zusammengesunken und wirkte merkwürdig unkonzentriert.
»Wir befürchten das Schlimmste, Mr President«, antwortete der Offizier blitzartig. »Aber wir sind nicht sicher. Der Torpedo ist im Bug eingeschlagen und hatte offensichtlich genug Kraft, das gesamte U-Boot augenblicklich zu versenken. Das bedeutet, dass die ersten drei Abschnitte sofort durchschlagen wurden und sich mit Wasser gefüllt haben. Es wäre allerdings möglich, dass wir in den beiden hinteren Abschnitten des U-Boots Überlebende haben.«
»Was haben wir unternommen, um eventuelle Überlebende zu retten?«, fragte Rumsfeld nach kurzem Seitenblick auf den scheinbar weggetretenen Präsidenten.
»Wir haben keine Möglichkeit, von unserem eigenen Territorium aus Hilfe zu schicken, jedenfalls nicht innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens«, antwortete der Offizier mechanisch. »Wir haben ein Gespräch mit den Briten vorbereitet. Am schnellsten könnte eventuellen Überlebenden geholfen werden, indem wir britische Rettungskapseln hinunterfliegen.«
»Warum haben wir diese Maßnahmen noch nicht ergriffen?«, knurrte Rumsfeld. »Kapieren Sie nicht, dass die Uhr tickt?«
»Doch, Sir. Aber die Vereinigten Staaten von Amerika haben den Verlust eines Atom-U-Boots auf fremdem Territorium noch nicht bekannt gegeben. Nach herrschenden Vorschriften muss diese Standardprozedur erfüllt werden«, lautete die blitzschnelle Antwort.
Dieses unvorhergesehene Dilemma beschäftigte sie eine ganze Weile. Bevor man Großbritannien und Südafrika um Hilfe bitten konnte, musste man den Verlust melden. Südafrika war Sache der Außenministerin, um den Kontakt mit London würde sich das Pentagon kümmern.
Aber zuerst musste das Weiße Haus mit einer Bekanntmachung an die Öffentlichkeit treten. Die Journalisten riefen bereits bei der Presseabteilung an, die Gerüchteküche brodelte.
»Diese Feiglinge müsste man aufhängen«, sagte der Präsident plötzlich ganz leise. Betretenes Schweigen breitete sich aus. Alle starrten ihn an, aber er guckte niemandem in die Augen.
Es wurde beschlossen, dass der Präsident seine Rede, die bereits »Hinterhaltrede« genannt wurde, noch am selben Abend zur besten Sendezeit halten sollte. Der
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