Coq 11
Pressesprecher des Weißen Hauses würde mit der Mitteilung an die Öffentlichkeit gehen, ein amerikanisches U-Boot sei überraschend vom palästinensischen Terror-U-Boot angegriffen worden. Dem Vertrauen, das man in die gegenteiligen Beteuerungen von Seiten des Terror-U-Boots gesetzt habe, seien also eine noch unbekannte Anzahl von Amerikanern zum Opfer gefallen. Die Schuldigen würden jedoch nicht ungestraft davonkommen.
Condoleezza Rice machte sich Sorgen, weil die Regierung wieder einmal eine Lüge verbreitete. Zu viele Flottenangehörige waren in die wahren Umstände eingeweiht, und die Journalisten gewiefter als je zuvor.
Im ersten Moment würden die Lügen in ganz Amerika Wut, Hass und eine enorme Rachsucht wecken.
Doch wenn die Wahrheit ans Licht käme, würde sich der gleiche Zorn gegen die eigene Regierung richten und am Präsidenten hängen bleiben. Vor allem, da er anscheinend vorhatte, diese falsche Version in seiner abendlichen Ansprache an die Nation zu wiederholen.
Die Stimmung war jedoch zu aufgeheizt und verzweifelt, als dass sie eine Möglichkeit sah, eine etwas differenziertere Darstellung des Handlungsverlaufs zu erarbeiten. Stattdessen kehrte sie ins Außenministerium zurück und widmete sich ihren eigenen Pflichten. Ihr stand das unangenehmste Telefonat ihres Lebens bevor. Sie musste den südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki anrufen.
Als sie eine halbe Stunde später allein in ihrem Dienstzimmer saß und auf den Rückruf Mbekis wartete, dachte sie zum ersten Mal an diesem traurigen Tag an Mouna al-Husseini und das lange nächtliche Gespräch, das sie vor nicht allzu langer Zeit in einem etwas schäbigen Landschlösschen geführt hatten. Mouna hatte glaubhaft vor den Konsequenzen eines amerikanischen Angriffs auf die U-1 Jerusalem gewarnt. Sie hatte die Wahrheit gesagt, als sie behauptete, sie habe weniger Angst vor dem Tod als vor den politischen Folgen eines Kriegs mit den USA. Trotzdem hatte vielleicht sie den Befehl geben müssen, die USS Jimmy Carter zu versenken. Das Ganze war so tragisch, dass es ihr fast das Herz brach.
Nachdem die U-1 Jerusalem das Horn von Afrika umrundet hatte, verharrte sie einen Tag in der Tiefe, bevor sie durch den Bab al-Mandab ins Rote Meer fuhr. Das Wasser in dieser Meerenge war so flach, dass man sie bei Nacht passieren musste, um nicht entdeckt zu werden.
Während dieses schwierigen Manövers an Afrikas Ostküste durchkämmten Satelliten jeden Fleck an der afrikanischen Westküste. Vor der Straße von Gibraltar hatten sich britische Flotteneinheiten aufgestellt. Alle amerikanischen Fernsehsender behaupteten, das Terror-U-Boot werde mit Sicherheit ins Mittelmeer zurückkehren, um Israel erneut anzugreifen. Zum einen waren alle Verhandlungen über einen verbesserten Status des Gazastreifens gescheitert, zum anderen hatten sich die Palästinenser in eine aussichtlose Lage manövriert, indem sie ein friedliches amerikanisches Atom-U-Boot attackiert und versenkt hatten. Damit hätten sie ihr eigenes Todesurteil unterzeichnet.
So hieß es zumindest in den amerikanischen Medien. Wie man die Lage aus anderem Blickpunkt beurteilte, wusste man an Bord der U-1 Jerusalem nicht, weil Carl die Benutzung von Antennen, die aus dem Wasser geragt hätten, aus Sicherheitsgründen auf das Nötigste begrenzt hatte.
Die Stimmung an Bord war gedrückt. Nicht einmal die Russen wirkten besonders fröhlich, obwohl ihr Chef im Kampf gegen ein amerikanisches Atom-U-Boot den größten Sieg aller Zeiten errungen hatte. Die anfängliche Euphorie war bald einer starken Gereiztheit gewichen.
Vielleicht hatte ihre Übellaunigkeit mit den neuen Gefangenen zu tun. Die amerikanischen Seeleute unterschieden sich deutlich von den Israelis, die man auf der letzten Fahrt dabeigehabt hatte. Möglicherweise lag es daran, dass die Gruppe der Amerikaner größer war und es nur wenige Verletzte gab. Bis auf einige Verstauchungen und einen gebrochenen Finger hatte Jelena Mordawina diesmal wenig zu flicken gehabt.
Für das Platzproblem hatte man eine wunderbare Lösung gefunden, da in die freien Torpedoräume nun ein Dutzend neue Schlafplätze passten. Doch die amerikanischen Gefangenen starrten missmutig ins Leere, zeigten sich äußerst wortkarg und flüsterten unablässig. Das Ganze wurde langsam unerträglich.
Carl hatte das Problem wiederholt an den Sprecher der Gefangenengruppe, Korvettenkapitän Kowalski, herangetragen, der einen extrem kurzen Bürstenhaarschnitt trug und
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