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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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trat von innen an Lizzies Bauchdecke und sie schnaufte. Sie wusste, dass es ein Mädchen war. Irina.
    „Geh jetzt, Gabin.“ Etiennes Stimme war sanft, doch sie hörte, wie schwer es ihm fiel sich zu beherrschen. „Geh nach Hause und erinnere dich. Es ist nicht gut zu vergessen wer man ist.“
    „Dann willst du mir also nicht helfen?“
    „Nein, Gabin. Ich verstehe, dass du über Jakurs Verschwinden nicht glücklich bist, aber ich kann und will dir nicht helfen.“
    „Sprich diesen Namen nicht aus!“ Gabins Stimme zitterte. „Ich wünschte, du würdest Hand in Hand mit deiner Hure verbrennen!“
    Die Holzwand des Hauses erzitterte. Lizzie zuckte zusammen, als sie Etiennes Knurren hörte. Ein Schlag, ein Röcheln und dann Stille. Irina strampelte. Es ist alles gut, sagte Lizzie in Gedanken. Es ist alles gut.
    Nein. Sie drückte ihre Stirn an das kalte Holz. Nichts war gut. Hier stimmte nichts. Selbst die Sonne schien nicht so zu scheinen, wie sie es sollte. Und sie vermisste Cat. Warum war sie nur so dumm gewesen? So blind!
    Gabins Körper schlug hart neben ihren Füßen auf den Boden. Er röchelte, hielt sich den Hals. Blut tropfte aus einer Stirnwunde auf sein Leinenhemd. Er rappelte sich auf und stolperte in Richtung Dorfplatz davon.
    Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und ging zu Etienne, der wieder auf der Bank vor dem Eingang saß; in der Hand die erloschene Pfeife.
    „Ich habe Angst“, sagte sie und verschränkte die Finger vor dem Bauch.
    Etienne legte seine Hand auf ihre; an seinen Knöcheln trocknete Gabins Blut. „Es wird alles gut“, sagte er. „Irina wird bald geboren werden und dann wird alles gut.“
    Die Sonne schien warm auf Lizzies Gesicht. Sie schloss geblendet die Augen. Irina drängte sich ihren Händen entgegen. „Ja, bald ist es soweit“, sagte sie. „Bald wird alles gut.“

16
    D er Himmel brannte, entzündete sich in satten Rot- und Orangetönen, setzte alles in Flammen, was ihm zu nah kam. Bäume, Gras, meine Finger, die ich weit gespreizt nach den letzten Sonnenstrahlen ausgestreckt hatte.
    Jacques lief schweigend einige Schritte vor mir her. Seine Schultern schienen breiter geworden zu sein, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Wie lange war das her gewesen? Es hätten Tage oder Jahre sein können. Die Zeit verliert ihre Bedeutung, wenn man sich in ihr verläuft wie in einem Labyrinth, das weder einen Anfang noch ein Ende hat.
    Ich atmete tief durch, als wir endlich die Kuppe des Hügels erreichten.
    „Das sieht magisch aus“, sagte Jacques.
    Ich folgte seinem Fingerzeig und nickte. Das kleine Dorf loderte in der Senke wie ein Rubin in einer Fassung aus patinierter Bronze.
    Hinter dem Dorf schlängelte sich ein Fluss zwischen vereinzelten Bäumen hindurch. An seinem Ufer stand eine Mühle, deren Mühlrad goldschimmernde Wassertropfen empor wirbelte. Dahinter begann ein dichter Wald, davor erstreckte sich eine weite Wiesenfläche. Ich kniff die Augen zusammen und stöhnte auf. Der Kastanienbaum! Seine Umrisse waren nunmehr schwarze Kohlestriche in der sich ausbreitenden Dunkelheit. Aber ich hatte das Bild oft genug angesehen, um mir sicher zu sein. Und daneben erkannte ich die Kapelle.
    Ein Zittern erschütterte meinen Körper. Ich spürte Jacques Hand auf meiner Schulter.
    „Cat? Ist alles in Ordnung?“, fragte er. „Wir sollten ins Dorf zurückgehen, gleich wird es dunkel sein.“
    Ich konnte nicht antworten. Bald würde ich Agnès wiedersehen. Ich schüttelte Jacques Hand ab und ohne es zu wollen, setzten sich meine Füße in Bewegung. Den Hügel hinab, den Blick starr auf den Baum gerichtet, der nur noch als dunkler Fleck in der Ferne zu erkennen war.

    Rokan betrat die Gaststätte. Auf dem Tisch nahe der Eingangstür brannte eine Kerze, deren Flamme im Luftzug zitterte. Neben dem Lüster standen einige Gläser, ein Stapel Spielkarten, ein Aschenbecher voller Zigarettenkippen. Ein Stuhl lag umgekippt im Gang. Keine Menschenseele war zu sehen. Langsam hob er den Stuhl auf, schob ihn an den Tisch. Dann ging er zur Theke und spähte durch die offene Küchentür.
    „Hallo?“ Seine Stimme hallte hohl aus dem Nebenzimmer wider.
    Ein Knirschen ließ ihn herumfahren und er sah in die zusammengekniffenen Augen einer Frau. Ihr Haar, das einmal in einem satten Kastanienton geglänzt haben musste, war stumpf und farblos. Ihre Augen lagen in dunklen Höhlen und zuckten nach links und rechts. In ihren zitternden Händen hielt sie ein Küchenmesser.
    „Es ist

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