Cotton Reloaded - Folge 2 - Countdown
benutzte seinen befreiten Arm, um auch den letzten Gegner loszuwerden. Mit der Faust schlug er kurz und hart zu. Alles ging so schnell, dass der Hieb den Wachmann völlig unerwartet, dafür umso präziser an der Schläfe traf.
Bevor die drei Wachmänner wieder auf die Beine kamen, fischte der G-Man seinen FBI-Ausweis aus der Tasche.
»Cotton. Special Agent, FBI.«
Verdutzt starrten die Wachmänner auf das Plastikkärtchen mit dem blauen FBI-Logo.
»Also, für mich sieht das Ding echt aus«, stellte einer der Wachmänner nach eingehender Begutachtung fest.
»Der ist auch echt.« Cotton steckte den Ausweis wieder ein. »Was dagegen, wenn ich den Verdächtigen verfolge?«
»N-nein«, stotterte derselbe Wachmann konsterniert und produzierte ein entschuldigendes Lächeln. »Hören Sie, woher hätten wir wissen sollen, dass Sie …«
»Schon gut.« Cotton hob seine Waffe auf.
»Sollen wir die Polizei rufen?«, fragte der Wachmann mit der blutenden Nase, während er taumelnd auf die Beine kam.
»Gute Idee. Dann haben Sie heute wenigstens etwas Nützliches getan.«
Obwohl es aussichtslos erschien, nahm Cotton die Verfolgung des Snipers auf. Er schnappte sich seine Pistole vom Boden und hetzte die Treppe hinunter. Mit einer Hand hielt er die Kimber, die andere umklammerte das Geländer, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Im Erdgeschoss angekommen, rannte er zur Stahltür des Notausganges und blieb daneben stehen, den Rücken gegen die Wand gepresst. Er lauschte. Hinter der Tür vernahm er ein metallisches Geräusch, scharf, kratzend, gefolgt von einem dumpfen Klopfen.
Jemand machte sich auf der anderen Seite an der Tür zu schaffen. Der Sniper? Unwahrscheinlich. Der würde so schnell wie möglich das Weite suchen. Es sei denn …
Cotton hatte den Türgriff bereits nach unten gedrückt, da traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Blitzschnell wirbelte er herum und versuchte möglichst viel Distanz zwischen sich und die Tür zu bringen. Augenblicke später explodierte hinter ihm der C4-Plastiksprengstoff, begleitet von einer Druckwelle, die die Stahltür aus den Angeln riss und gegen eine Wand schmetterte. Cotton warf sich zu Boden. Ein Gluthauch fegte über ihn hinweg.
Das Donnern der Explosion verhallte in den Gängen, ein schriller Pfeifton in Cottons Ohren blieb. Es würde noch Stunden dauern, ehe er Umweltgeräusche nicht mehr dumpf wie durch Watte wahrnehmen würde.
Hustend kämpfte er sich auf die Beine. In der Luft tanzte eine Wolke aus Milliarden Partikeln aus Verputz und pulverisiertem Gestein. Benommen stolperte Cotton zur Tür hinaus ins Freie. Von dem Heckenschützen keine Spur. Entweder war der Mistkerl über alle Berge, oder er lauerte irgendwo in der Dunkelheit wie ein Jäger mit Nachtsichtgerät.
In diesem Moment brach vor dem Gefängniskomplex die Hölle los. Sirenen gaben Alarm und heulten über Dutzende Wachmänner hinweg, die von überall aus den Gebäuden schwärmten. Auf den Mauern flammten Scheinwerfer auf und tauchten den Komplex in gleißendes Licht.
Die Wärter suchten jeden Fußbreit der Insel ab. Die Leiche al-Bakkays wurde in die Pathologie des Gefängnisses geschafft. Unterdessen steckte Cotton seine Waffe wieder ein und kehrte zu Decker zurück.
Seine Partnerin stand neben dem Wagen, den Rücken gegen die Fahrertür gelehnt, den Kopf gesenkt. Sie wirkte müde, abgespannt.
»Und?«, fragte sie, ohne ihn anzusehen. »Haben Sie ihn erwischt?«
»Nein.«
»Haben Sie sonst was für mich, außer der lahmen Erklärung, dass er Ihnen durch die Lappen gegangen ist?«
Cotton atmete tief durch, ehe er antwortete: »Wir sollten Mr High in Kenntnis setzen.«
»Ich habe ihn bereits per Funk über alles informiert«, sagte Decker tonlos. »Ein forensisches Team ist hierher unterwegs, um Spuren zu sichern. Wir beide sollen umgehend ins HQ zurückkommen.«
Ihrem Kopf ging es leidlich besser. Dafür zitterten ihre Hände plötzlich. Ihr Gesicht war kalkweiß und schimmerte unter einer dünnen Schweißschicht.
»Kommen Sie, Decker, es ist vorbei.« Cotton trat vor sie hin und streckte eine Hand aus, um ihre Schulter zu berühren.
»Lassen Sie mich in Ruhe!«, zischte sie und funkelte ihn an. »Ich brauche Ihr Mitleid nicht.«
»Okay, okay.« Cotton kämpfte das Verlangen nieder, sie in den Arm zu nehmen. »Reagieren Sie immer so sperrig, wenn ein Kollege Sie trösten will?«
»Tut mir leid, Cotton. Es war alles ein bisschen viel in den letzten Stunden. Al-Bakkay ermordet … die
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