Crusie, Jennifer - Der Cinderella-Deal
Farbflächen, die förmlich auf der Leinwand glühten, stellten seine kräftigen Muskeln dar. Es war so abstrakt wie das erste Bild. Gott sei Dank endete die Leinwand genau über den Hüften, aber er war trotzdem unverkennbar nackt. Am schlimmsten war das Gesicht. Das war er, keine Frage. Aber all die Coolness aus dem ersten Porträt war im zweiten durch Leidenschaft und Feuer ersetzt worden. Das Funkeln in seinen Augen hatte Daisy rot hervorgehoben, sodass es aussah, als stünde er in Flammen. Auf dem ersten Bild hatte sie ihn als intelligenten, souveränen und einflussreichen Mann dargestellt. Aber dieses zeigte ihn leidenschaftlich, wild und erotisch. Hätte er es in der Abgeschiedenheit des Ateliers gesehen, wäre er sofort über Daisy hergefallen, weil sie ihn so sah. Aber in dem grellen Scheinwerferlicht der Galerie, unter den Augen aller Einwohner von Prescott, hätte er sie am liebsten umgebracht.
Julia stellte sich neben ihn. »Bei mir hast du nie so ausgesehen.«
Das hatte ihm gerade noch gefehlt. »Halt den Mund.«
Überrascht trat sie einen Schritt zurück. »Du kannst dich unmöglich darüber aufregen. Das Bild ist hervorragend.«
»Tja, falls sie dich mal nackt malen sollte, hängen wir das dann auch hier auf.«
»Sie kann mich nackt malen, so viel sie will.« Stirnrunzelnd sah sie ihn an. »Ich dachte, du wärst lockerer geworden.«
Es gelang ihm nicht, den Blick von dem Porträt loszureißen. Nicht auszudenken, wenn Crawford es sah! »So locker werde ich nie.«
»Ihr glaubt es nicht!« Hüpfend vor Glück kam Daisy ihnen aus der Menschenmenge entgegen. »Bill hat mir gerade die Kassenzettel gezeigt. Er hat fast alles verkauft. Ich bin der Hit! Ist das nicht wunderbar? Warum guckst du so böse?«
Er wandte sich zu ihr um und blitzte sie wütend an. »Ich mag keine Überraschungen.«
»Was für Überraschungen?« Wieder die Alte, starrte Daisy finster zurück. »Was ist los?«
»Das andere Porträt.« Beinahe zu zornig, um zu sprechen, deutete Linc mit dem Kopf auf die hintere Wand.
Daisy wandte sich um, und er sah, wie ihr augenblicklich alle Farbe aus dem Gesicht wich. »Das sollte gar nicht hier sein. Das war privat.«
»Und wie ist es dann hier hingekommen?«
»Bill muss es gefunden haben. Ich habe ihm gesagt, dass er alles aus dem Atelier nehmen kann. Ich hab nicht mehr daran gedacht. Ich war so aufgeregt, und dann habe ich es einfach vergessen.« Sie drehte sich wieder zu ihm um, kalkweiß vor Panik.
Linc schloss die Augen. »Du hast es vergessen. Wie, zum Teufel, konntest du so etwas vergessen?«
»Linc.« Daisy klang verzweifelt. »Es tut mir leid. Es tut mir wirklich, wirklich leid.«
Seine Stimme dagegen war eiskalt. »Ich weiß, dass es dir leidtut.« Er sah zu, wie sie bei jedem seiner Worte zusammenzuckte, als wären es Ohrfeigen. Vor Wut war es ihm egal. »Aber ich bin derjenige, der diesen Leuten gegenübertreten muss. Meine Studenten sind hier.«
»Es tut mir so leid.« Inzwischen sprach sie so leise, dass er sie kaum noch hören konnte.
»Wir sprechen später darüber.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und rannte beinahe einen älteren Mann um. »Entschuldigung.« Linc drängte sich an ihm vorbei und ließ Daisy einfach stehen.
»Also, Linc, mein Junge.« Crawford fing ihn ab. Stirnrunzelnd deutete er mit dem Kopf auf die Porträts. »Das entspricht nicht gerade meinem Bild von Ihnen.«
Das fing ja gut an. »Nun, Sir, Daisy sieht mich von einer anderen Seite.«
»Ich finde es reizend.« Chickie klammerte sich an ihren Drink, als wäre er ihr letzter Strohhalm, und lächelte Linc an. »Daisy ist so begabt. Du musst sehr stolz auf sie sein.«
»Halt den Mund, Chickie«, fuhr Crawford sie an. »Du hast doch keine Ahnung. Womöglich hat das dumme Weibsstück mit diesem Dreck seine Karriere ruiniert.«
Beschämt blickte Chickie in ihr Glas. Für einen Augenblick dachte Linc nicht an sich selbst und stellte fest, was für ein Ekel Crawford war. »Das ist kein Dreck. Daisy ist eine Künstlerin. Sie…« Doch als er merkte, dass Crawford ihm über die Schulter starrte, brach er ab. Er drehte sich um und entdeckte Daisy neben dem älteren Herrn, an dem er eben vorbeigestürmt war. Hinter ihm standen eine schlanke, elegant gekleidete Dame und zwei jüngere Kopien von ihr. Alle drei hatten missbilligend den Mund verzogen und die Stirn gerunzelt.
Inzwischen war Daisys Gesichtsfarbe bläulich-weiß, und ihre Augen sahen aus wie Kohlen. »Chickie, Linc, Dr. Crawford, das
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