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Cugel der Schlaue

Cugel der Schlaue

Titel: Cugel der Schlaue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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obwohl er erschöpft war, fand Cugel keinen Schlaf. Um Mitternacht hörte er den gedämpften Schlag der Schiffsuhr.
    Endlich schlummerte er ein. Eine ungewisse Zeit verstrich.
    Ein leises Geräusch weckte Cugel, der sofort hellwach war. Einen Augenblick starrte er in die Dunkelheit, dann tastete er nach seinem Schwert und kroch zur Zeltöffnung.
    Die Topplaterne warf einen bleichen Schein über das Deck. Cugel sah nichts Ungewöhnliches, es war auch nichts zu hören. Was hatte ihn aus dem Schlaf gerissen?
    Zehn Minuten kauerte Cugel an der Öffnung, dann kehrte er nachdenklich zu seinen Kissen zurück.
    Wach blieb er liegen ... Die leisesten Geräusche drangen an sein Ohr: ein Klacken, ein Knarren, ein Scharren. Wieder kroch er zur Zeltöffnung.
    Das Topplicht warf so viele Schatten wie Lichtlachen. Ein Schatten bewegte sich seitwärts über das Deck. Er schien ein Paket zu tragen.
    Mit einem unheimlichen Prickeln im Nacken beobachtete ihn Cugel. Der Schatten ging ruckhaft zur Reling und warf das Paket auf sehr merkwürdige Weise über die Seite. Cugel tastete im Dunkeln nach seinem Schwert, dann kroch er aufs Vorderdeck.
    Er vernahm ein Scharren. Inzwischen war der Schatten mit anderen verschmolzen und nicht mehr zu erkennen.
    Cugel kauerte abwartend in der nächtlichen Schwärze. Plötzlich hörte er ein schwaches Quieken, das abrupt abbrach.
    Es wiederholte sich nicht.
    Nach einer Weile kehrte Cugel in sein Zelt zurück und hielt dort verkrampft und frierend Wache ... Mit offenen Augen schlief er, bis ein roter Strahl der aufgehenden Sonne ihn blendete und hellwach machte.
    Durch die verkrampfte Haltung schmerzte ihn jeder Knochen, als er sich aufrichtete. Er warf sich den Umhang um, setzte den Hut auf, schnallte sich den Schwertgürtel um und humpelte zum Hauptdeck. Varmous stand gerade erst auf, als Cugel einen Blick in seine Kabine warf. »Was wollt Ihr?« knurrte Varmous mürrisch. »Darf ich mich nicht einmal mehr in Ruhe anziehen?«
    Cugel sagte bloß: »In der Nacht hörte und sah ich Seltsames. Ich fürchte, wir werden feststellen, daß wieder jemand verschwunden ist.«
    Varmous stöhnte und fluchte. »Wer?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Varmous schlüpfte in die Stiefel. »Was habt Ihr gesehen und was gehört?«
    »Ich sah einen Schatten. Er warf ein Paket in das Dickicht. Ich hörte ein Klacken und das Schnarren und Knarren einer Tür, und etwas später einen quiekenden Schrei.«
    Varmous zog sich das grobgewebte Wollcape über die Schultern, dann den flachen breitkrempigen Hut über die blonden Locken. Er hinkte an Deck. »Als erstes sollten wir wohl die Nasen zählen.«
    »Das hat Zeit«, widersprach Cugel. »Sehen wir uns zunächst das Paket an, das uns viel oder wenig sagen mag.«
    »Wie Ihr wollt.« Die beiden kletterten zum Erdboden hinunter. »Nun, wo ist das Dickicht?«
    »Dort drüben hinter dem Schiff. Hätte ich es nicht gesehen, würden wir keinen Verdacht schöpfen.«
    Sie gingen um das Schiff herum, und Cugel bahnte sich einen Weg durch die schwarzen Wedel des Dickichts. Das Paket war nicht schwer zu finden. Vorsichtig zog er es ins Freie. Die beiden Männer blickten ernst auf die Verpackung aus weichem blauen Stoff. Cugel berührte sie mit der Zehe. »Wißt Ihr, was das ist?«
    »Ja, der Umhang, den Perruquil gerne trug.«
    Eine Weile starrten sie still auf das Paket. Schließlich murmelte Cugel: »Dann dürfte er es wohl sein, der heute fehlen wird.«
    »Öffnet das Paket«, murmelte Varmous nur.
    »Das überlasse ich gern Euch«, versicherte ihm Cugel.
    »Also macht schon, Cugel«, wehrte sich Varmous ungehalten. »Ihr wißt doch, daß meine Beine schmerzen, wenn ich mich bücke.«
    Cugel verzog das Gesicht. Er bückte sich und öffnete die Knoten. Der Umhang glitt von selbst zurück und enthüllte Menschenknochen, die geschickt ineinander verschachtelt waren, um möglichst wenig Platz zu beanspruchen.
    »Erstaunlich!« flüsterte Varmous. »Hier muß Magie im Spiel sein oder ein reines Paradoxon! Wie sonst könnten Becken und Schädel auf so unvorstellbare Weise ineinander verschlungen sein?«
    Cugel sah es etwas kritischer: »Die Zusammenfügung ist nicht sehr fein. Seht selbst: Ivanellos Schädel ruht in Ermauldes Becken, und Ermauldes Schädel ist in Ivanellos Becken gesteckt. Vor allem Ivanello wäre über eine solche Lieblosigkeit verärgert!«
    Varmous murmelte: »Jetzt wissen wir das Schlimmste. Wir müssen zur Tat schreiten!«
    Gleichzeitig blickten die beiden am Schiff hoch.

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