Cugel der Schlaue
verehrt.«
Erwig wollte aufbrausen, doch diesmal ließ die Frau sich nichts sagen. »Dein Gast gewöhnt sich am besten schon jetzt an uns, denn schließlich werden wir ja alle gemeinsam auf dem Schilfhaufen schlafen.« Sie riß die Tür ganz auf und holte die Kinder in die Hütte. Erwig sah ein, daß kein weiteres Gespräch möglich war und warf sich auf die Binsen. Bald darauf folgte Cugel seinem Beispiel.
Am Morgen frühstückte Cugel Aschenfladen und Kräutertee und machte sich zum Aufbruch bereit. Erwig begleitete ihn zum Weg. »Ihr habt einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht, deshalb sollt Ihr meinen Rat hören, wie Ihr am sichersten über die Ebene der Stehenden Steine kommt. Hebt bei der erstbesten Gelegenheit einen Kiesel von der Größe Eurer Faust auf und macht das trigrammatische Zeichen über ihn. Werdet ihr angegriffen, dann haltet den Stein in die Höhe und ruft: ›Hinweg! Ich trage einen geweihten Gegenstand!‹ Diese Kiesel legt ihr auf den ersten Steinhügel, an den Ihr kommt, und nehmt Euch dafür von dort einen. Auch über ihm macht Ihr das Zeichen und tragt ihn zum zweiten Steinhügel, und so weiter über die ganze Ebene hinweg.«
»Ich danke Euch für diesen hilfreichen Rat, aber vielleicht könntet Ihr mir die wirkungsvollste Version des Zeichens vormachen, um mein Gedächtnis aufzufrischen.«
Erwig kratzte etwas in den weichen Erdboden. »Einfach, genau und unfehlbar! Die Cuirnifer lassen diese Schleife aus und kritzeln achtlos in irgendeine Richtung!«
»Faulheit und Lässigkeit, zweifellos«, meinte Cugel.
»Nun denn, Cugel, lebt wohl! Wenn Ihr wieder einmal hier vorbeikommt, versäumt nicht, Rast bei mir zu machen. Mein Branntweinkrug hat einen losen Korken für gute Freunde.«
»Dieses Vergnügen würde ich mir nicht für tausend Terces entgehen lassen. Doch nun, was schulde ich Euch?«
Erwig hob die Hand. »Von meinen Freunden nehme ich nichts!«
Er zuckte zusammen und riß die Augen weit auf, als seine Frau, die unbemerkt herbeigetreten war, ihn heftig in die Rippen stieß. »Na gut«, brummte Erwig. »Gebt meinem Weib ein oder zwei Terces, dann wird sie ihrer Arbeit freudiger nachgehen.« Cugel gab ihr fünf Terces, worüber sie sich sichtlich freute, dann verließ er die kleine Ortschaft.
Nach vier Meilen näherte der Weg sich einer grauen Ebene, die in unregelmäßigen Abständen zwölf Fuß hohe Anhäufungen von grauen Steinen aufwies. Cugel fand nach kurzem Umsehen einen großen Kiesel. Er drückte seine Rechte auf die linke Hinterbacke und verneigte sich tief vor dem Stein. »Ich flehe Wiulio an, diesen Stein zu segnen, damit er mich auf meinem Weg über diese trostlose Ebene schützen möge!«
Er schaute sich aufmerksam um, doch außer den Steinhügeln und den langen schwarzen Schatten, die sie in der roten Morgensonne warfen, bemerkte er nichts, das näherer Aufmerksamkeit bedurft hätte. Erleichtert machte er sich weiter auf den Weg.
Er war noch keine dreihundert Fuß gekommen, als er spürte, daß er nicht allein war. Er wirbelte herum und sah, daß ihm ein Asm mit acht spitzen Hauern unmittelbar auf den Fersen war. Schnell hielt Cugel den Kiesel hoch und rief: »Hinweg! Ich trage einen geweihten Gegenstand und darf nicht belästigt werden!«
Mit sanfter, aber undeutlicher Stimme entgegnete der Asm: »Falsch! Was du trägst, ist ein ganz gewöhnlicher Kieselstein. Ich habe dich beobachtet und gesehen, daß du die Weihung verkehrt gemacht hast. Flieh, wenn du willst, ich brauche ohnehin ein bißchen Bewegung!«
Der Asm kam näher. Cugel warf den Kiesel mit aller Kraft. Er traf die schwarze Stirn zwischen den steifen Fühlern, und der Asm stürzte zu Boden. Ehe er sich zu erheben vermochte, hatte Cugel ihm den Kopf abgetrennt.
Cugel marschierte weiter, doch dann kehrte er um und hob seinen Kiesel wieder auf. »Wer weiß, ob es nicht Wiulio war, der ihm diese Kraft und Treffsicherheit verlieh?« fragte er laut.
Beim ersten Steinhügel tauschte er den Kiesel gegen einen anderen aus, wie sein Gastgeber es ihm geraten hatte, und diesmal machte er das trigrammatische Zeichen mit größter Sorgfalt.
Ohne Zwischenfall gelangte er zum nächsten Steinhügel und so weiter über die Ebene.
Die Sonne stieg zum Mittag auf, ruhte sich eine Weile aus und machte sich westwärts wieder auf den Weg. Unbelästigt wanderte Cugel von Steinhügel zu Steinhügel. Mehrmals entdeckte er Pelgrane am Himmel, dann warf er sich jeweils flach auf den Boden, um sie nur ja nicht auf sich
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