CyberCrime
enthält ein Virus, mit dessen Hilfe ein Computer an irgendeinem anderen Ort der Welt alle Tätigkeiten auf dem infizierten Computer überwachen kann, darunter auch die Eingabe der Bank-Passwörter. Der andere Trick besteht in der Gestaltung einer E-Mail, die aussieht, als käme sie von einer Bank oder einer anderen Institution; darin wird der Nutzer aufgefordert, seine Login-Daten und Passwörter zu bestätigen. Fällt der Empfänger darauf herein, kann der Absender der Mail seine Daten nutzen, um sich Zugang zu einigen oder allen Internet-Konten des Opfers zu verschaffen. Die brasilianischen Hacker zeigten mir Schritt für Schritt, wie sie sich zigmillionen Dollar von Bankkonten in Brasilien, Spanien, Portugal, Großbritannien und den Vereinigten Staaten beschaffen konnten.
Anschließend besuchte ich in Brasilien die Cyberpolizisten, die viele andere Mitglieder der Verbrecherbande hatten auffliegen lassen (doppelt so viele wurden allerdings nie von der Polizei ausfindig gemacht); dann befragte ich den Leiter von X-Force, der Abteilung für verdeckte Operationen bei dem amerikanischen Computer-Sicherheitsunternehmen ISS . Im Lauf ungefähr einer Woche wurde mir klar, dass das konventionelle oder traditionelle organisierte Verbrechen, so farbig und vielgestaltig es auch sein mag, für die Täter mit deutlich größeren Risiken verbunden ist als die Cyberkriminalität.
Altmodische organisierte Verbrecherbanden, die an der Technologie und den Methoden des 20. Jahrhunderts festhalten, müssen zwei schwierige Hürden überwinden, wenn sie in dem von ihnen gewählten Beruf Erfolg haben wollen. Das größte Geschäftsrisiko stellt die Polizei dar. Deren Leistungsfähigkeit ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Die Gruppen des organisierten Verbrechens passen sich an diese wechselnden Bedingungen an und wählen eine Reihe von Methoden, um mit den Gesetzeshütern umzugehen. Sie können versuchen, einfach schlagfähiger zu sein; sie können die Ordnungskräfte korrumpieren; sie können Politiker korrumpieren, die Befehlsgewalt über die Polizei erobern; oder sie können sich geschickt tarnen, um nicht aufzufliegen.
Dann stehen sie vor einem zweiten Problem: der Bedrohung durch die Konkurrenz, andere Bösewichter, die in denselben Gewässern nach Beute fischen. Auch hier können sie versuchen, schlagfähiger zu sein, oder sie können sich zusammenschließen und gemeinsam agieren.
Beide Gefahren kann ein kriminelles Syndikat aber nicht einfach ignorieren – dieser Weg führt zum Scheitern und das manchmal mit tödlichen Folgen. Der Schlüssel zu Überleben und Erfolg ist die Fähigkeit, mit anderen Kriminellen und der Polizei zu kommunizieren – und vor allem beiden Gruppen die richtigen Nachrichten zukommen zu lassen.
In Brasilien lernte ich sehr schnell, dass das Verbrechen im 21. Jahrhundert etwas anderes ist.
Vor allem ist im Web viel schwieriger zu erkennen, ob jemand etwas Böses im Schild führt. Die Gesetze, die über die Machtverhältnisse im Internet bestimmen, sind von Staat zu Staat sehr unterschiedlich. Das ist von Bedeutung, weil eine kriminelle Tat im Web meist von einer IP -Adresse ( IP = Internet Protocol ) in einem Staat gegen eine Person oder ein Unternehmen in einem anderen begangen wird, bevor die Verbrecher den Gewinn in einem dritten einstreichen. Ein Polizist in Kolumbien merkt vielleicht, dass die IP -Adresse, von der aus ein Angriff auf eine kolumbianische Bank koordiniert wird, aus Kasachstan stammt. Dann aber stellt er fest, dass diese Tat in Kasachstan nicht als Verbrechen gilt, das heißt, sein Kollege in der kasachischen Hauptstadt hat keinen Anlass, den Vorgang zu untersuchen.
Viele Cyberkriminelle verfügen über die Intelligenz, um solche Diskrepanzen ausfindig zu machen und auszunutzen. »Ich benutze nie amerikanische Kredit- oder Scheckkarten«, erzählte mir einer der erfolgreichsten schwedischen »Carder«, »denn sonst wäre für mich die Justiz der Vereinigten Staaten zuständig, ganz gleich, wo ich mich auf der Welt aufhalte. Deshalb nehme ich nur europäische und kanadische Karten, dann bin ich sowohl glücklich als auch sicher – die kriegen mich nie.«
Die Trennung zwischen den Vereinigten Staaten auf der einen Seite und Europa und Kanada auf der anderen ist besonders wichtig, denn in diesen Regionen ist die Dichte der Opfer von Cyberkriminalität am größten. In Europa und Kanada gelten strengere Gesetze zum Schutz der individuellen Freiheiten und Rechte im Internet.
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