Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
Vom Netzwerk:
gegen eine der golden bedampften, reklameverhangenen Scheiben und suchte zu erraten, was drinnen geschah.
    Mannhardts Blick ging zum Kudamm zurück, und er fand Jessica, Corzelius und Wuthenow nur noch knappe hundertfünfzig Meter entfernt, schon an der Ampel Mommsenstraße.
    Er konnte sich zu nichts entschließen: Den Kollegen helfen und den Kinderwagen-Mann zunächst einmal vergessen? Weitergehen, ihm entgegen? Hier an dieser Stelle auf ihn warten?
    Was du auch machst, falsch ist es immer.
    In wenigen Minuten würde hier alles abgesperrt sein.
    Mein Gott, was soll ich’n machen…!?
    «Einen Wagen will ich!» schrie Torro durch ein leicht angekipptes Fenster auf die Schlüterstraße hinaus. «Und eine Viertelstunde Vorsprung haben.»
    «Aus West-Berlin kommt doch keiner ohne Kontrollen heraus!» rief Koch zurück. «Gib auf, dann biste nach zwölf Jahren wieder raus aus’m Knast…! Mitte Dreißig biste dann, Torro, Mensch, haste das Leben noch vor dir. Wenn de aber die beiden bei dir drin auch noch aufm Gewissen hast, dann kriegste mehrfach lebenslänglich, und dann is alles aus und vorbei, dann kommste erst im Zinksarg wieder raus! Also…!»
    «Halt’s Maul, ich hab die Trümpfe in der Hand!»
    Mannhardt wußte, daß dies hier Stunden dauern konnte, und sowohl vom Kudamm wie vom Norden her waren nun die Martinshörner zu hören.
    Tatort- Stimmung erfaßte die Leute.
    Zuerst aber hielt eine Taxe ganz in der Nähe, und heraus sprang eine junge Frau, der, verzerrt das Gesicht, epileptisch-zuckend, abgehackt ihr Gang und jede Bewegung, deutlich anzumerken war, wie sehr sie sich in Wahn und Rausch verloren hatte, unter Einfluß fremder Stimmen stand.
    Vera.
    Mannhardt wußte Bescheid:
    Die Hochbahn am Kottbusser Tor…
    Der grüne Fleck…
    Ich habe mir schon immer ein Kind gewünscht, ein kleines Wesen zum Streicheln und Knuddeln…
    Nimm doch Jessicas Kind!
    … weil Jessica doch hiergewesen ist und Yemayá mitgenommen hat. Das hatte Mannhardt bei Veras Anblick im Ohr, doch verstand er nicht, wie denn auch, was sie an dieser Stelle wollte, wieso sie derart hektisch, überdreht und pathologisch wirkte; doch er erfuhr es bald.
    «Tatjana, ich will mein Kind zurück!» schrie sie und stürzte schon zur Matscho -Eingangstür, sie aufzureißen, fand sie verschlossen, rüttelte und riß daran mit Leibeskräften.
    Mein Kind…
    Tatjana!
    Jetzt gelang es Mannhardt, die vorliegenden Fakten auf die Reihe zu bringen: Tatjana also hatte, mit ihrer Intelligenz alles durchschauend, Jessicas Baby bei Vera gefunden, es mitgenommen und einen ihrer Partner oder Stenze das Lösegeld einfordern lassen. Richtig, ja, jetzt konnte er sich auch wieder dunkel an den Namen Matscho erinnern, war irgendwie in einem Nebensatz gefallen, als Corzelius, bevor er mit Tatjana, die Schüsse, die Brücke, der Sturz ins Wasser hinunter.
    Und Yemayá nun mit Tatjana zusammen in Tornows Gewalt… Als dritte Geisel sicherlich der Mann, der ihm mit dem Kinderwagen, Cuba libre, klar, daß er nicht gekommen war.
    Dies alles zu begreifen, präzise auf den Punkt zu bringen, brauchte nur Zehntelsekunden, wurde ihm klar, als er Vera folgte und verhindern wollte, daß sie Tornow in die Arme lief, seine vierte Geisel wurde, denn als es ihr mißlungen war, von vorn ins Matscho einzudringen, hatte sie in ihrem Wahn Koch zur Seite gestoßen und war in jener breiten Haustür verschwunden, die das Parterre des Gründerzeitgebäudes in zwei Hälften teilte: das Matscho links und rechts ein Möbelladen.
    «Halt, Sie können da nicht… da ist…» Ein Killer, wollte er schreien, doch das war ihm peinlich, klang nach Kinderspiel, idiotisch, Mensch, Torro ebenso, auch Grobis Mörder, war blockiert, schaffte es endlich zu rufen: «… ein Geiselnehmer!»
    Doch zu spät.
    Vera war schon an der Wohnungstür, links hinter einer Mauerecke, die zum Privatbereich des Matschos führte, Kellnern, Köchen, Lieferanten diente, fand, Carlos ganzer Stolz, statt eines simplen Klingelknopfes einen Colt, dessen dunkler Lauf tief im Holz des Rahmens steckte, prallte einen guten Meter zurück.
    Mannhardt war schon fast heran.
    Da hatte Vera begriffen, daß man nur am Abzug ziehen, also quasi schießen mußte, um es drinnen läuten zu lassen, tat es auch.
    Was folgte, waren Explosion und Wahnsinnsknall, ringsum zerberstende Scheiben, wie Schrotkugeln zerstiebende Splitter aus Holz und aus Glas, in dicken Flatschen herabfallender Putz, teils schon zu Staubschwaden zermahlen; dann Feuer,

Weitere Kostenlose Bücher