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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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fünfzigtausend Mark wie ein Schwimmer auf dem Startblock oben, bereit, seine Bahn nordwärts zu ziehen, aufgenommen vom Strome immer-hektischer Passanten, auf der Suche nach dem Cuba libre- Mann mit seinem Kinderwagen.
    Und kam sich furchtbar albern vor, mußte sich immer wieder mühsam deutlich machen, daß es hier um das Leben eines Kindes ging, um das Schicksal eines hochbegabten, womöglich einmal großen Mannes, um Sein oder Nichtsein auch für eine junge Frau, sich Mal für Mal verklären, daß alle klassische Tragik, drehte man die Sache nur ein wenig anders, leicht läppisch wurde: Sohn erkennt die Mutter nicht und nimmt sie sich zur Frau; Ödipus, welch Schwachsinn das! Und was für ein trivialer Plot denn dieses: Ein gewisser Laertes verwechselt die Waffen und wird, Schickimicki-Royal, von einem andern Machtelitenjüngling, Hamlet heeßta, mit einem vergifteten Degen erstochen, worauf sich der und dem Stück mit einem Schlucke Wein ein schnelles Ende bereitet: Tatort Hälsingborg, na ja… Oder: Aida hat sich heimlich in das Grabgewölbe geschlichen, um mit ihrem geliebten Radames gemeinsam zu sterben, vor allem aber, weil ihr «Leb wohl, o Erde, o du Tal der Tränen» allein gesungen nie ein Duett geworden wäre. Lächerlicher, dachte er an das reale Ende politisch oder sonstwie unbequemer Menschen, siehe amnesty international, ging’s ja kaum.
    So opern- und theaterfest war er nicht, daß ihm in diesen Sekunden noch anderes eingefallen wäre, doch schon das wenige half ihm beträchtlich, mit der Ambivalenz seines Handelns fertig zu werden.
    Fünfzigtausend Deutsche Mark im Aktenkoffer, eine Summe, die ihm, gemessen an seinem eigenen Vermögen, unwahrscheinlich hoch vorkam wie gleichzeitig, als Lösegeld, auch lachhaft niedrig, las man doch in der Presse immer wieder von Millionen. Das, was sie von Jessica verlangten, war dagegen fast ein Freundschaftspreis; weswegen wohl?
    Er sah auf die Uhr. Du mußt –
    Noch immer scheute er den ersten Schritt, mußte an die Aula seiner Schule denken, fast forty years ago, als sie hinter den Kulissen fürchterlich über ihre säuisch-pubertären Scherze gelacht hatten, nachfolgend einem Freudschen Versinger ihrer überaus attraktiven Klassenkameradin Jutta B. («Liebchen ade, Scheide tut weh…»), und er nun vor den Vorhang treten sollte, um vor allen versammelten Lehrern und Schülern die todernst-tragische Fontane-Ballade vom wackren John Maynard zum Vortrag zu bringen, die berühmten… noch zehn Minuten bis Buffalo, wo der Steuermann sich opfert, die Passagiere seines Schiffes zu retten: Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt. I Gerettet alle. Nur EINER fehlt! Auch die abschließenden Verse bekam er wieder zusammen, das Begräbnis John Maynards betreffend, und er sprach sie stimmlos vor sich her, von der Melodramatik ergriffen: Zehntausend folgen oder mehr / Und kein Aug im Zug, das tränenleer. Wie viele kamen wohl, wenn sie ihn zu Grabe trugen…? Sie lassen den Sarg in Blumen hinab, / Mit Blumen schließen sie das Grab… Aus dem Laden da drüben…? Und mit goldner Schrift in den Marmorstein / Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein: Hier ruht Hans-Jürgen Mannhardt. In Qualm und Brand / Hielt er das Steuer fest in der Hand, / Er hat Yemayá gerettet, er trägt die Kron, / Er starb für UNS, unsre Liebe sein Lohn.
    Hans-Jürgen Mannhardt, so starb er für uns, ein Vorbild für alle. Der Regierende Bürgermeister auf dem Hermsdorfer Friedhof am offenen Grab. «… um das Leben eines kleinen, unschuldigen Wesens zu retten…»
    Los, ab jetzt! Länger konnte er nicht warten, denn Wuthenow, Jessi und Corzelius, zwei Minuten nach ihm losgegangen, durften, um den Deal nicht zu gefährden, nicht auf Sichtweite zu ihm auflaufen.
    Endlich ging er auf den rechten Bürgersteig hinüber, und das Umschalten von der spöttischen Distanz und Reflexion auf die Dimension des essentiellen Ernstes glückte auch in der Sekunde, als er hinten an der Mommsenstraße einen Mann mit einem Kinderwagen angefahren kommen sah.
    Konzentration des Skispringers auf der Schanze oben, wenn das grüne Ampellicht aufflammte, das Bekreuzigen, in Gedanken jedenfalls: Helft mir, ihr höheren Mächte, wer auch immer ihr seid! Keine Schüsse, kein Blut und keine Gewalt, bitte!
    Kam der Mann allein, flankierten Helfershelfer seinen Weg, lauerten irgendwo in den Fluren, tarnten sich als heimkehrende Angestellte und Beamte? Warum aber? Und bei dieser keineswegs Millionensumme…
    Dennoch tasteten

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