Damon Knight's Collection 06 (FO 12)
anlief. Sie war ein Korrekturlehrling wie ich. Jetzt ist sie wahrscheinlich die mächtigste Person in der ganzen Tarulle Company – Jespen Tarulle mit eingeschlossen. Irgendwo kann sie bei jeder wichtigen Person auf dem Schiff einen Hebel ansetzen. Einige von den Kerlen lieben sie, glaube ich. Bei anderen ist es Erpressung. Viele Leute haben einfach Angst vor ihr. Und keiner weiß, worauf sie eigentlich aus ist.«
Hedrigs runzelte die Stirn. »Du kannst von mir nicht erwarten, daß ich das glaube. Ich habe beobachtet, wie die Mannschaft mit ihr zusammenarbeitet. Sie erlangt mehr herzliche Mitarbeit und Achtung von den Männern als die meisten Offiziere.« Svir fühlte dieselbe Feindseligkeit gegen Ascuasenya, die er gegenüber einem Fremden empfinden würde, der ein Mitglied seiner eigenen Familie anschwärzte.
Cor sah müde aus. »Das beweist lediglich, daß sie glänzend führen kann. Das leugne ich nicht. Und sie ist mindestens ebenso talentiert, wenn es zu mechanischtechnischen Fragen kommt, geschickter als irgend jemand, den ich je gesehen habe. Sie hat die maschinell getriebenen Walzendruckstraßen konstruiert, die hier benutzt werden. Auch hat sie einiges an der speziellen Takelung entwickelt, die wir auf unseren Gleitbooten haben.«
Hedrigs grunzte und erinnerte sich an eine gewisse Unterhaltung vor ein paar Tagen. Aber dieser Gedanke war ihm in der nächsten Frage nicht anzumerken. »Was bringt dich eigentlich dazu, diese beleidigenden Schmähungen zu verbreiten?«
Ascuasenya wurde leicht blaß. »Ich … ich will nicht, daß du verletzt bist, Svir. Und ich weiß, daß sie, wenn es ihren Zielen dienlich wäre, dein Leben aufs Spiel setzen würde. Außerdem, ich … will dich für mich selbst.« Ihre Stimme fiel fast zu einem Flüstern ab.
Hedrigs kam wieder in eine versöhnlichere Stimmung. Die Dinge, die Cor gesagt hatte, wurden verständlicher und waren in diesem Licht eher zu entschuldigen. »Es tut mir leid, Cor. Ich wußte nicht, daß du so fühlst. Aber du hast unrecht. Tatja ist herrlich. Und ich liebe sie.«
»Nein!« Die Antwort war heftig. »Laß mich dir das gerade zeigen. Kann Ancho das Ichbinnichthier-Signal noch senden?«
»Ja.« Hedrigs koste das Tier, das auf seiner Schulter saß. Ancho hatten, so schien es, die letzten Tage der Reise Spaß gemacht. »Wenn er weiß, daß etwas von ihm erwartet wird, und ich aber nicht jenes selbstherrliche Imponiergehabe produziere, dann wird er im allgemeinen das ›Ichbinnichthier‹ aussenden.«
»Fein. Dann laß uns ihn benutzen, um ein bißchen zu spionieren. Ich wette mit dir fünf zu eins, daß Grimm etwas treiben wird, was du als charakterlos ansehen wirst.«
Svir war von der Leidenschaft ihrer Versicherung beeindruckt. Anderen nachzuspionieren war etwas, das er nie gebilligt hatte. Er versuchte, hinzuhalten. »Es ist doch ziemlich spät, weißt du. Sie ist vermutlich schlafen gegangen.«
»Schlafen? Manchmal frage ich mich, ob sie das überhaupt je tut.« Sie ergriff seinen Arm. »Auf, komm.«
Mit dem häßlichen Gefühl, etwas Unanständiges zu tun, folgte Hedrigs dem Korrekturlehrling. Cor führte ihn fünfzig Meter achtern und mehrere Treppenabsätze hinab. Sie waren ziemlich mitten in der Tagschlafperiode, und kaum jemand war auf den Beinen. Die Wachen im Mastkorb konnten jegliche feindseligen Annäherungsversuche an das Schiff bemerken, aber sie waren nicht so gut plaziert, um das Deck selbst zu beobachten.
Schließlich standen Hedrigs und Ascuasenya unterhalb des Balkons von Grimms Büro. Hedrigs hätschelte Ancho. »Halt dich hier dicht bei mir, Cor, dann bist du auch innerhalb des Illusionsfelds.« Er half ihr beim Ersteigen des Balkons und zog sich dann selbst hinauf, Sie waren zu weit auseinander gekommen: es war nicht auszuschließen, daß Leute außerhalb des Illusionsbereichs sie gesehen hatten. Aber jetzt hatte er den ersten Schritt getan.
Sie krochen zu dem Bürofenster und lugten über das Fensterbrett. Svir war auf den Luxus dieses Raumes nicht vorbereitet. Dieser war fast so geräumig wie die Bibliothek. Der Boden war mit Jaguarfellteppichen ausgelegt und die Möbel mit Einlegearbeiten aus getriebenem Silber – oder gar aus dem seltensten der Metalle, Aluminium – verziert.
Tatja saß an ihrem Schreibtisch, ihr Gesicht im Profil. Sie war nach vorn gebeugt und studierte einen großen Papierbogen auf ihrem Schreibtisch. Svir hatte sie nie so unglücklich dreinschauen sehen. Ihre Augen waren weit geöffnet und
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