Damon Knights Collection 7
Höheres anstreben konnte. Was konnte ihm der schwarzverhüllte Student anhaben, was die Zeit ihm nicht schon angetan hatte? Sekundenlang verminderte er das Tempo, doch dann packte ihn wieder der Abscheu vor dieser rätselhaften Gestalt, und er beugte sich wieder tiefer über die Lenkstange, vor Anstrengung keuchend.
Das Haus, das ihm seine Mutter hinterlassen hatte, war zweistöckig: über einem ziegelgemauerten Erdgeschoß kragte das zweite Geschoß in jener Holzbauweise aus, die die Architekten ihrer Zeit billig errichten konnten und die Käufer attraktiv fanden. Er schoß leichtsinnig wie ein Junge über den Rasen, warf das Fahrrad hin, anstatt es auf die Veranda zu fahren, rannte ins Haus und schloß die Tür hinter sich vehement ab.
Ruth hatte ihn gehört und rief von ihrem Zimmer im ersten Stock nach ihm. Nach einer Pause fügte er sich in das tägliche Ritual seines Besuchs, erklomm langsam die Stufen, wobei er ab und zu innehielt, um sich zu verschnaufen.
Sie hatte sich, ihm zu Ehren, die Haare gebürstet und neu frisiert und mit den Kosmetika, die in Reichweite neben ihrem Bett standen, geschminkt. Angesichts ihres Lächelns und der Versuche, ihm zu gefallen, brachte er es nicht über sich, ihr von seinem Erlebnis zu berichten. Doch dann erlosch ihr Lächeln und erinnerte ihn daran, daß Ruth immer geahnt hatte, wenn bei ihm etwas schiefgelaufen war. Es war rücksichtsvoller, ihr alles zu sagen, anstatt sie in Spannung zu halten.
Auf der Bettkante neben ihr sitzend beschrieb er alles, wie die verhüllte Gestalt in den Hörsaal gekommen war, bis zu der Verfolgung auf dem Heimweg.
»Das ist doch nicht schlimm«, sagte sie, als er geendet hatte. Sie umschloß seine Hand mit ihren Fingern und drückte sie ermunternd. »Das haben sie doch vor Jahren auch schon gemacht – als wir beide noch selbst studierten. Ein Junge zog sich einen unförmigen, schwarzen Sack über und nahm so an den Vorlesungen teil; er sagte niemand, wer er war, und er sprach nur murmelnd. Zuerst lachten alle ihn aus, aber als er jeden Tag erschien, wurden sie böse und spielten ihm grausame Streiche. Als er sich noch immer nicht zu erkenne gab, ignorierten sie ihn einfach. Am Ende des Semesters kam dann heraus, daß es sich um ein Experiment handelte, das einige Studenten mit einem Professor der Psychologie ausgearbeitet hatten.«
Er schaute sie an und hätte ihr zu gern geglaubt.
»Das ist doch offensichtlich, David. Jemand hat das alte Experiment wieder aufgegriffen. Wir behaupten, heute viel freier und menschlicher zu sein als früher, aber stimmt das wirklich? Nun, er macht die Probe darauf, um festzustellen, ob die Ergebnisse die gleichen sind wie damals. David, schau nicht so erschrocken.«
»Warum hat er dann nach der Vorlesung auf mich gewartet? Und warum ist er mir bis nach Hause nachgefolgt?«
Sie drückte seine Hand, als wolle sie ihm körperlich ihre Aufrichtigkeit beweisen. »Er wollte sehen, wie du reagierst, und deshalb mußte er dir Zeit lassen, um zu reagieren. Und ich glaube auch nicht, daß er dich verfolgt hat. Verstehst du nicht, er konnte die Maske nicht auf dem Campus entfernen, denn sonst würde ihn ja jemand erkennen. Wahrscheinlich fuhr er lediglich nach Hause, und er wohnt eben in unserer Gegend. Hier sind doch eine Menge von Pensionen für Studen ten, die in den Heimen keinen Platz bekommen konnten.«
Er schwieg, aber sie merkte wohl, daß er noch immer nicht überzeugt war.
»Er hat doch nicht vor unserem Haus haltgemacht, oder, David?«
»Ich habe nicht darauf gewartet«, antwortete er und schämte sich, daß er weggelaufen war. »Ich bin gleich hereingekommen.«
»Na also! Er hat auch nicht geläutet, oder? Oder versucht, durch ein Fenster hereinzuklettern? Geh doch nach draußen und schau dich um. Ich wette, du wirst ihn nirgends finden.«
Er ging nicht nach draußen und schaute an jenem Abend auch nicht durch die Fenster hinaus, aber es geschah auch nichts, was Ruths Theorie widersprochen hätte. Er erledigte seine üblichen Vorbereitungsaufgaben, schaute mit ihr eine Stunde lang Fernsehen und las, bis ihm die Augen zufielen.
Am nächsten Morgen erwartete ihn die dunkle, unförmige Gestalt bereits und besuchte jede Vorlesung, die er während der folgenden zwei Tage hielt.
Er verabredete einen Termin mit Saunders, dem Leiter seiner Fakultät. Ihm war, als betrachte ihn Saunders Sekretärin mit merkwürdigen Blicken, als er in ihr Bü ro kam, doch er rang sich ein Lächeln ab, während sie ihn
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