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Damon Knights Collection 7

Damon Knights Collection 7

Titel: Damon Knights Collection 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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Eingang befand sich neben dem Zentralturm. Er zahlte fünf Türkische Pfund Eintritt und weitere zweieinhalb für die Mitnahme des Fotoapparates.
    Von den drei Haupttürmen war nur der mittlere an der Ostmauer entlang dem Bosporus den Besuchern zur Besteigung freigegeben. Er hatte keine Kondition und stieg die ummauerte spiralenförmige Treppe langsam empor. Die steinernen Stufen waren offensichtlich von anderen Gebäuden gestohlen worden. Immer wieder erkannte er Fragmente klassischen Gebälks oder völlig unpassender Einlegearbeiten – ein griechisches Kreuz oder einen grobumrissenen Byzantinischen Adler. So wurde jeder Schritt zu einer symbolischen Eroberung: man konnte diese Stufen nicht ersteigen, ohne am Fall Konstantinopels Anteil zu nehmen.
    Die Treppe endete in einer Art hölzernem Wehrgang, der an der Innenseite der Mauern in einer Höhe von ungefähr zwanzig Metern klebte. Der offene Innenraum hallte vom Gurren und Flattern unsichtbarer Tauben wider, und irgendwo spielte der Wind mit einer Metalltür, öffnete sie knarrend und schlug sie polternd zu. Wenn man wollte, konnte man das schon eher als schlimmes Vorzeichen betrachten.
    Vorsichtig schob er sich auf der hölzernen Plattform entlang, mit beiden Händen an dem eisernen, mit der Wand verbundenen Geländer; ihn umfing eine wohlige Angst und er schwitzte etwas. Er dachte daran, wieviel Spaß Janice daran gehabt hätte, deren Begeisterung für Höhen der seinen in nichts nachstand. Er fragte sich, ob, falls überhaupt, und wann er sie wiedersehen würde, und wie sie dann aussehen mochte. Inzwischen hatte sie zweifellos die Scheidung eingereicht. Vielleicht war sie schon nicht mehr seine Frau.
    Die Plattform führte zu einer anderen steinernen Treppe, kürzer als die erste, die bei der knarrenden Metalltür endete. Er öffnete sie und trat, von flatternden Tauben umringt, in die blendende Mittagssonne hinaus, ein großartiger und erhebender Anblick, der blaue Wasserlauf zu seinen Füßen, in dem sich der Himmel spiegelte, und jenseits das surrealistische Grün der asia tischen Hügel gleich einer hundertbrüstigen Cybe le. Ihm war, als müsse er soviel Schönheit lauthals loben, mit einem Jubelschrei. Doch war ihm nicht nach Schreien oder großen Gesten zumute. Und so bewunderte er von der Distanz diese greifbare Illusion fleischlich gewordener Hügel, eine Illusion, die sich dadurch erweitern ließ, daß er die von seinem Rundgang noch schweißigen Hände auf den körnigen, warmen Stein der Balustrade legte.
    Als er von der Seite des Turms auf die verlassene Straße hinunterschaute, entdeckte er sie wieder, wie sie am Ufer stand. Sie blickte zu ihm hinauf. Dann hob sie beide Hände wie ein Signal über den Kopf und rief etwas, das er sicher nicht verstanden hätte, selbst wenn er die einzelnen Worte hätte unterscheiden können. Er nahm an, daß sie von ihm fotografiert werden wollte; er stellte also die kleinste Blende ein, um den hellen Widerschein der Wasseroberfläche auszugleichen. Sie stand direkt unterhalb des Turms, und so fand er keinen künstlerisch anmutenden Vordergrund. Er knipste. Frau, Wasser, Asphaltstraße – es wurde ein Schnappschuß, nicht eine Fotografie, und er hielt nichts von Schnappschüssen.
    Die Frau rief ihm noch mehr zu, die Arme in der gleichen weihevollen Geste erhoben. Er verstand überhaupt nichts und winkte ihr mit einem unsicheren Lä cheln zu. Allmählich entwickelte sie sich zu einer Pla ge. Er hätte die Szenerie lieber für sich genossen. Schließlich kletterte man auf Türme, um allein zu sein.
     
    Altin, der Mann, der ihm die Wohnung vermittelt hatte, arbeitete als Agent auf Kommissionsbasis für Teppichhändler und Juweliere im Großen Basar. Er fing Gespräche mit englischen und amerikanischen Touristen an und beriet sie, was sie kaufen, wieviel sie dafür bezahlen sollten und wo es am günstigsten war. Sie hatten einen Tag lang Wohnungen besichtigt und dann ein Appartementhaus nahe Taksim ausgewählt, dem Verkehrskreisel, der für die Europäer in der Stadt eine Art Treffpunkt war. Hier demonstrierten die verschiedenen Istanbuler Banken mit Neonreklamen ihre Fortschrittlichkeit, und im Mittelpunkt des Kreisels führte ein lebensgroßer Atatürk eine auserlesene Gruppe seiner Landsleute ihrer glänzenden (westlichen) Bestimmung zu.
    Altin hielt die Wohnung für einen Ausdruck der gleichen fortschrittlichen Gesinnung; sie hatte Zentralheizung, eine Sitztoilette, eine Badewanne und einen reparaturbedürftigen,

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