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Damon Knights Collection 7

Damon Knights Collection 7

Titel: Damon Knights Collection 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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wachte einige Male auf, und jedesmal verfolgten ihn zwei Gesichter aus den Träumen gleich Souvenirs, deren Herkunft und Zweck vergessen waren: die Frau von Rumeli Hisar und das Kind von Üsküdar; ein Teil seines Unterbewußtseins hatte die beiden bereits miteinander in Beziehung gebracht.
     
    II
     
    Der Theorie seines ersten Buches nach bestand das eigentliche Wesen der Architektur, sein Hauptanreiz ästhetischen Interesses, in seiner Willkürlichkeit. Wenn erst einmal die Fensterstürze auf den Pfosten lagen und irgend ein Dach den hohlen Innenraum überspannte, blieb der Rest völlig dem Einzelnen überlassen. Sogar die Fensterstürze und Pfosten, das Dach und die Aufteilung des Raums waren willkürlich. So schwarz auf weiß war es keine ausgefallene Theorie; die Schwierigkeit lag darin, das Auge zu schulen, um die ganze Skala der ungewöhnlichen Formen zu erkennen – als Muster und Zusammenstellungen von Ziegeln, bemaltem Verputz, geschnitztem und gehobeltem Holz, also als eine unendliche Reihe freier und willkürlicher Auswahl anstelle von »Gebäuden« und »Straßen«. In einem solchen Schema hatten Ordnungen, Stile, Raffinesse und Geschmack keinen Stellenwert. Jeder Bau der Stadt war ungewöhnlich, einzigartig, doch wenn man inmitten des ganzen lebte, konnte man sich keinen zu fein ausgeprägten Sinn dafür leisten. Sonst …
    Es war in den vergangenen drei oder vier Jahren seine Aufgabe gewesen, sein Auge und sein Vorstellungsvermögen auf diesen Zustand der Unschuld zurückzubilden. Er verfolgte damit ein den Romantikem entgegengesetztes Ziel, denn er erhoffte nicht, der Natur näher zu sein, wenn ihm die gewünschte »rohe« Vorstellung gelang (was natürlich nicht zu erwarten war, weil Unschuld wie Gerechtigkeit absolute Werte darstellen; man mochte ihnen nahekommen, würde sie aber nie erreichen). Die Natur als solche interessierte ihn nicht. Was er im Gegenteil suchte, war ein Gespür für die große Künstlichkeit der Dinge, der Strukturen, des gewaltigen und unendlichen Walls, der errichtet wurde, um die Natur auszuschließen.
    Die seinem ersten Buch zuteilgewordene Aufmerksamkeit bewies ihm einen wenigstens teilweisen Erfolg, denn er wußte (und wer war besser dazu geeignet?), wie unzulänglich seine Darstellung war und wieviele Wahrnehmungen und soziale Zusammenhänge er nicht einmal in Frage gestellt hatte.
    Da es nun darauf ankam, sich von allem Vertrauten abzusetzen, mußte er ein für seinen Zweck geeigneteres Laboratorium als New York finden, eine Umgebung, die ihm das Entfremden leicht machte. Soviel war offensichtlich.
    Seiner Frau war es nicht so offensichtlich erschienen.
    Er bestand nicht darauf. Er wollte vernünftig sein. Er war bereit, darüber zu sprechen. Und sie besprachen es – beim Abendessen, bei Gesellschaften ihrer Freun de (seine Freunde hielten anscheinend nichts von Parties), im Bett – und dabei schälte sich heraus, daß Janice weniger etwas gegen die geplante Reise hatte, als sein gesamtes Programm, seine Theorie, glattweg ablehnte.
    Zweifellos brachte sie gesunde Argumente vor. Das Gefühl des Willkürlichen machte nicht bei der Architektur halt; es umschloß alle Phänomene (wenn er es dazu kommen ließ). Wenn für die Kinkerlitzchen und Arabesken, aus denen eine Stadt besteht, keine feste Gesetzmäßigkeit existierte, dann gab es auch keine Gesetzmäßigkeiten (oder nur zufällige Gesetze, was einem völligen Mangel an Gesetzen gleichgesetzt werden muß), um die in das Netzwerk einer Stadt verwobenen Beziehungen zu definieren, die Beziehungen zwischen Mann und Mann, Mann und Frau, John und Janice.
    Dieser Gedanke war ihm auch schon gekommen, obgleich er zuvor niemals darüber gesprochen hatte. Oft hatte er während einer der abgedroschenen Rituale wie im Restaurant essen innegehalten, um seine Bezugspunkte zu finden. Je weiter er mit seiner Theorie fortschritt, je mehr er eine Schicht von Vorurteilen nach der anderen abtrug und durchsiebte, desto mehr erstaunte ihn das Ausmaß der akzeptierten Traditionen, der Unterwerfung unter die Macht der Konvention. Zeitweilig erkannte er sogar in einer Geste seiner Frau, einem angemessenen Satz oder sogar einem Kuß einen Hinweis auf das Palladianische Gesetzbuch, dem es entstammte. Vielleicht gelang es einem mit etwas Übung, die gesamte Geschichte ihrer persönlichen Stilrichtungen zu dokumentieren – hier einen Widerhall der Neugotik, dort eine Imitation von Mies van der Rohe.
    Als sein Antrag auf ein

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