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Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Titel: Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Josephine Chaos
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zurückhaltend zu gebrauchen bei vermutlich großen Babys in definitiv kleinen Müttern. Harhar – wie schade, dass Letzteres gerade völlig irrelevant ist – das Kind muss raus – JETZT! (Ich wiederhole mich gerne.)
    Die Glocke zu befestigen ist überhaupt kein Problem, da das Köpfchen bereits so tief sitzt, dass ich locker drankomme. Leider haben wir jetzt aber aktuell keine Wehen mehr, da Soli ja – aufgrund der miesen Herztöne – mehrfach wehenhemmendes Medikament gespritzt hat …
    Gut, dann eben ziehen ohne Wehen. Während Soli sich von oben mit Schmackes auf den beängstigend ausladenden Fundus der kleinen Frau schmeißt, ziehe ich vorsichtig von unten am Hebel meiner Glocke. Frau Vier schreit. Korrektur: Frau Vier brüllt wie angeschossen – vor Angst, Schmerz und ich weiß nicht, was noch allem. Ich würde am liebsten mitschreien, denn ich kann sie sehr gut verstehen. Aber da wir für solche Mätzchen jetzt leider keine Zeit haben, brüll ich stattdessen zurück, sie solle jetzt gefälligst pressen. Himmel nochmal, schreien können wir alle später noch!
    Das Köpfchen bewegt sich millimeterweise, während das Klopfgeräusch des vermaledeiten Wehenschreibers sich unendlich in die Länge zieht und scheinbar im Nichts verschwindet.
    .......... TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCKKKKK ....................
    »Komm schon, Baby, komm schon …!«
    Ich schwitze. Das Wasser fließt mir in Strömen den Rücken hinunter und von der Stirn übers Dekolleté, am Bauchnabel vorbei in die Unterhose. Meine Wäsche ist klatschnass, das Haar klebt in wirren Strähnen auf meiner Stirn, während meine Zunge staubtrocken am Gaumen klebt.
    »Komm schon, Baby, komm schon …!«
    Beschwörend flüstere ich dieses Mantra vor mich hin, während der schwarzbehaarte Babykopf sich nur mühsam weiterbewegt und das Tock des Wehenschreibers verstummt ist.
    Ich habe noch kein Kind verloren – dreimal auf Holz geklopft! Bis zum jetzigen Tage hab ich sie noch alle heil herausbekommen und das wird sich verdammt nochmal auch heute nicht ändern!
    Komm schon, Baby, komm schon …!
    »KOMM SCHON, BABY!« Ich schreie. Brülle es hinaus, die Angst, den Stress, den Horror dieser Nacht.
    Und dann kommt es. Ganz plötzlich merke ich, wie die Glocke leicht und geschmeidig nachgibt, das Köpfchen höher und höher steigt, schließlich sanft über dünngewalzten Damm ploppt und so den Blick auf ein leuchtendblaues Babygesicht freigibt. Und während die Hebamme vom Fundus steigt, um den kleinen Schlumpf in Empfang zu nehmen, dreht der auch schon brav weiter, lässt zuerst die vordere, dann vorschriftsmäßig die hintere Schulter entwickeln und flutscht anschließend sauber und in einem Stück in O Sole Mias ausgebreitete Arme. Jetzt ist auch plötzlich glasklar, wo das Problem lag – seine geschätzt 1 Meter 50 lange Nabelschnur hat der kleine Mann um alles gewickelt, was ihm in den neun Monaten so in die Quere gekommen ist: Rechtes Bein, linkes Bein, zweimal um den Arm, dreimal Hals, und abschließend – modisch völlig auf dem neuesten Stand – lässig um die Hüfte geschwungen. Kein Wunder, dass dieses CTG am Ende aussah, wie es aussah – der Junge hatte sich mit seiner Wickelaktion schlichtweg den Saft abgedreht. Solch eine Aktion ist extrem selten, denn in der Regel ist ausreichend Nabelschnur vorhanden, um die ein oder andere Verwicklung problemlos wegzustecken. Die Natur hat da schon clever mitgedacht. In diesem Fall hätte Houdini sich jedoch beinahe um Kopf und Kragen gewickelt. Er sollte sich definitiv ein anderes Hobby zulegen …

    Ich überlasse das Baby der Hebamme sowie der gerade eingetroffenen Kinderärztin und renne nach Kreißsaal I, wo ja Frau Öko gerade ihr erstes Kind via Beckenendlage zur Welt zu bringen gedenkt. Als ich die Tür öffne, sehe ich auch schon zwei kleine, dunkelblaue Pobacken auf Beckenausgang stehen. Verdammt – DAS nenn ich Timing. Hätte das Kind sich nicht ein bisschen beeilen können?
    Beckenendlagengeburten sind wie afrikanische Elefanten: vom Aussterben bedroht. Und da keiner sie mehr macht, kann auch keiner sie mehr lehren. Was ganz schön blöd ist, wenn man denn – wie ich jetzt – notfallmäßig eine entwickeln muss. Okay, ich hab es natürlich schon mal im Trockendock geübt. Auf Fortbildungen nämlich, mit künstlichen Beckenmodellen und komisch aussehenden Puppen. Wie muss ich den Po halten? Und was, wenn kurz vor knapp die Arme hochschlagen und festhängen? Wer drückt

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