Dark Secrets: Gesamtausgabe
nickte. „Heute Nachmittag besprechen wir alles Nötige, wenn Sie wieder zurück sind.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, schubste er Amanda aus der Umkleide. Orientierungslos blinzelte sie in mehrere Frauengesichter, die von ihren potentiellen Einkäufen aufsahen und sie kritisch musterten. Dann ging sie hastig aus dem Geschäft, ohne sich noch einmal umzudrehen.
*
„Dr. Pierce, guten Morgen!“ Inspector Monroe stand auf, kam um ihren Tisch herum und schloss die Bürotür hinter Amanda. Die dunkelhäutige, schlanke Polizistin trug einen cremefarbenen Hosenanzug, der ihr faszinierend gut stand.
„Kommen Sie, setzten Sie sich.“
Sie wies Amanda einen Stuhl zu, auf dem sie dankbar Platz nahm. Die Angst und Nervosität waren ihr zweifellos anzusehen.
Monroe setzte sich wieder und drückte auf eine Telefontaste. „Jim, kommen Sie bitte in mein Büro“, sagte sie, dann lächelte sie Amanda an.
„Geht es Ihnen gut?“
„Gut wäre möglicherweise übertrieben. Aber es geht schon“, antwortete sie mit einem halbherzigen Lächeln.
Als die Bürotür aufging, kam ein junger Polizist in Uniform herein. Er hatte schlohblondes Haar und leuchtend blaue Augen. Mit einem freundlichen Händedruck begrüßte er Amanda, bevor er sich einem Sideboard zuwandte, auf dem ein Computer stand.
„Wenn Mr. Zwetajew anruft – wovon wir ausgehen – versuchen wir den Anruf zurückzuverfolgen.“
Jim nickte Monroe zu, offenbar zum Zeichen, dass die Anlage jetzt online war.
„Wie kommen Sie darauf, dass er anruft?“
Bevor Monroe zu einer Antwort kam, klingelte ihr Telefon. Die beiden Polizisten tauschten einen alarmierten Blick aus, während Amanda das Herz im Halse pochte. Sie hielt die Finger krampfhaft im Schoß verschränkt und betete, dass es irgendetwas geben würde, das sie tun konnte, um Nicolai zu retten.
„Bleiben Sie ganz ruhig“, sagte Monroe und nahm nach dem dritten Klingeln das Telefon ab, indem sie es auf Lautsprecher stellte.
„Monroe?“, sagte sie mit fester Stimme.
Ein leises Lachen war aus dem Telefonlautsprecher zu hören, bei dem Amanda das Blut in den Adern gefror.
Dimitrij
!
„Dr. Pierce“, sagte er mit diabolischer Freundlichkeit, „wie schön Sie zu sehen.“
Die Polizistin und Amanda wechselten einen Blick. Amanda nickte zum Zeichen, dass sie antworten würde.
„Sie meinen wohl, mich zu hören“, gab sie zurück und hoffte, dass das Zittern in ihrer Stimme nicht übermächtig wurde.
„Vielmehr beides“, antwortete Dimitrij.
Amanda sah fragend Monroe an, die mit zwei Fingern auf ihre eigenen und dann auf Amandas Augen zeigte. Er ließ sie also tatsächlich beobachten. Spocks Worte fielen ihr wieder ein.
„Was wollen Sie?“
„Die Frage ist doch vielmehr, was Sie wollen.“
Sie weigerte sich hartnäckig, die Ähnlichkeit von seiner und Nicolais Stimme festzustellen. Nur der starke russische Akzent, den Dimitrij hatte, und die ungezügelte Aggressivität darin unterschieden unterschied die Brüder deutlich.
„Wollen Sie Nicolai zurück?“
Amandas Körper war so vollgepumpt mit Adrenalin und Angst, dass sie für einen Moment befürchtete, ohnmächtig zu werden. Zurück würde sie ihn wohl niemals bekommen, dachte sie, aber dass er lebte, ja, das wollte sie um jeden Preis!
„Woher soll ich wissen, dass Sie ihn überhaupt haben?“
Keine Sekunde später vibrierte ihr Smartphone zum Zeichen, dass sie eine Nachricht erhalten hatte.
„Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit geschickt, Dr. Pierce.“
Mit zitternden Fingern holte sie ihr Telefon hervor und rief die Nachricht ab. Es war ein Video.
„Ach, und Sie können dem jungen, blonden Constable sagen, dass er sich die Mühe sparen kann. Dank einer kleinen technischen Spielerei kann der Anruf nicht zurückverfolgt werden.“
Jim und Monroe zogen fast gleichzeitig ihre Waffen und zielten aus dem Fenster. Monroe ließ die Jalousie fallen, so dass es dunkel im Büro war.
Doch Amanda nahm all dies nur am Rande wahr. Ihr Blick lag gebannt und fassungslos auf dem kurzen Video, das Nicolai auf einen Stuhl gefesselt zeigte, das Gesicht zerschunden und blutig, genau wie sein Hemd. Die linke Schulter stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Sein Kopf war auf die Brust gesunken. Er bewegte sich kaum, nur ein schmerzvolles Einsaugen der Luft war zu hören. Der Anblick war so herzzerreißend, dass sie sich eine Hand vor den Mund presste, um nicht laut aufzuschluchzen. Monroe streckte fragend die Hand aus, und Amanda reichte ihr das
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