Darkover 24 - Die Schattenmatrix
hören. Die Frau, deren Schatten sie gesehen hatten, wich mit weit aufgerissenen Augen zurück, im gleichen Augenblick trat Mikhail neben Margaret durch den Schleier.
Margaret blickte über die Schulter zurück. Sie konnte die Umrisse der Pferde und Männer zwar noch erkennen, aber sie konnte sie nicht mehr hören. Sie sah, wie sich Dorilys einer unbekannten Hand widersetzte und wie Stürmer ausschlug. Sie sah Münder, die sich bewegten, und wusste, dass sie nach ihr riefen, und dann waren sie plötzlich verschwunden.
TEIL DREI
24
Mikhail schüttelte den Kopf und versuchte, Verwirrung und Benommenheit zu vertreiben, die ihn zu überwältigen drohten. Ein Blick auf Marguerida verriet ihm, dass sie ebenfalls völlig durcheinander war. Was hatten sie nur getan? Waren sie denn vollkommen verrückt? Dann bemerkte er, dass der große Druck in seinem Kopf, dieser fürchterliche Zwang, mit einem Mal verschwunden war. Doch Mikhail war nach drei Stunden scharfen Reitens so müde, dass er sich kaum darüber freuen konnte. Er sah sich in dem Raum um, den er und Margaret betreten hatten, und sein Blick fiel auf die Frau, die ihnen die Tür geöffnet hatte. Sie hatte dünnes, rotes Haar und Augen, so golden wie die von Marguerida. Die Frau war grau gekleidet, und der Umhang auf ihren Schultern wirkte so willkürlich übergeworfen, als hätte sie das erstbeste Stück genommen, das ihr in die Hände gefallen war. Ihr Alter schätzte Mikhail auf dreißig bis vierzig. Sie strahlte Autorität aus, aber sie hatte auch etwas Niedergeschlagenes an sich. Wer war sie? Mikhail betrachtete ihre nervösen Augen und die ruhelosen Hände. Ihre Schultern waren hochgezogen und wirkten verspannt. Die Wände der Eingangshalle waren aus Stein und bar jeden Schmucks. Selbst in dem düsteren Licht erkannte Mikhail, dass der Mörtel an vielen Stellen schwarz war, außerdem roch es sehr stark nach Rauch. Hier hatte es eindeutig gebrannt, allerdings nicht erst kürzlich.
Noch etwas stieg ihm in die Nase, aber es war nicht der vertraute Ozongeruch der Matrixschirme. Es dauerte eine Weile, bis er es als den Gestank nach verbranntem Fleisch erkannte, und er schluckte schwer. Fast schien es, als würden die Steine den Geruch bewahren. Neben ihm stand zitternd Margaret. Irgendwie wusste Mikhail, dass es nicht der Anblick der verbrannten Steine war, der sie so beunruhigte, aber er konnte auch nicht feststellen, was es war. Ihr Geist war verschlossen, als versuchte sie sich unsichtbar zu machen. Sie fürchtete sich, doch wovor?
Nur die Krähe wirkte unbesorgt. Sie saß auf einem schmalen Wandvorsprung und blickte mit rot leuchtenden Augen umher. Sie gab einen heiseren Laut von sich, breitete die Flügel aus und legte sie wieder an, dann begann sie in aller Ruhe ihr Gefieder zu putzen. Mikhail machte ein paar flache Atemzüge, er nahm den Geruch nach Schweiß und Pferd an seinem Körper wahr und fragte sich, was er tun sollte. Lady Linnea hatte einmal zu ihm gesagt, im Zweifelsfall sollte er es immer mit Höflichkeit versuchen. Guter Rat. Mikhail spürte einen unwiderstehlichen Drang zu handeln, er hatte zwar den Willen, war aber nahezu gelähmt vor Beklommenheit.
Schließlich löste sich seine Zunge. »Seid gegrüßt, Domna.« Er verbeugte sich. »Ich bin …« Seine Stimme verlor sich. Wer war er, an diesem Ort, zu dieser Zeit? Wenn das tatsächlich der Turm von Hali war, dann befanden er und Marguerida sich weit in der Vergangenheit, und ein Mikhail Hastur musste erst noch geboren werden. Für den Augenblick war ihm das alles zu kompliziert. Marguerida zog neben ihm den Umhang fester um die Schultern, denn in der Eingangshalle war es sehr kalt. »Schön, dass wir uns treffen, Domna, hoffe ich jedenfalls. Danke, dass Ihr uns die Tür geöffnet habt.«
»Ich hatte doch keine andere Wahl, oder?« Die Stimme der Frau war schrill und die Worte unfreundlich. Ihre Augen traten vor Anspannung fast aus den Höhlen. »Willkommen im Turm von Hali. Ich heiße Amalie El Haliene, und ich bin die Bewahrerin hier. Stellvertretende Bewahrerin, um genau zu
sein, aber da ich die einzige anwesende Leronis bin, dürfte es nur recht sein, wenn ich mir den Titel verleihe, den ich schon längst verdient habe.« Sie wies mit ihrer sechsfingrigen Hand auf die Hallendecke, und ein bitteres Lachen entschlüpfte ihren schmalen Lippen.
Zunächst ergaben ihre Worte nur wenig Sinn. Amalies Gesichtsausdruck nach zu schließen, erwartete sie offenbar, dass Mikhail und Margaret
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