Das Band des Mykerinos (Adrian Pallmers magische Abenteuer, Band 2) (German Edition)
am Ende.
»Hilfe! Meister Li! So helfen sie mir doch!«, rief er noch einmal, doch der Alte tauchte auch jetzt nicht auf.
Adrian spürte, wie das Holz langsam nachgab und bevor er etwas tun konnte, brach auch das Stückchen ab, an dem er sich festgehalten hatte. Gerade noch so schaffte er es, das freie Ende eines Seiles zu ergreifen, das bisher von ihm unbemerkt neben ihm von dem Steg herabhing. Hand um Hand zog er sich daran hoch, bis er es zu seiner eigenen Überraschung nach einiger Zeit sogar geschafft hatte, oben auf dem demolierten Steg anzukommen. Völlig erschöpft legte er sich erst einmal flach auf die Bretter und schloss für einen Moment seine Augen.
»Was du tust hier?«, hörte er plötzlich den alten Einsiedler fragen. Er stand mit zur Seite geneigtem Kopf da und schaute auf den noch immer auf dem Boden liegenden Jungen.
»Wonach sieht es denn aus?«, fragte Adrian gereizt, doch Wan Li blickte ihn nur fragend an. Nachdem Adrian erzählt hatte, was passiert war, fragte Li ganz trocken, »Ich dachte, du ein Zauberer bist?«
Adrian hatte keine Lust, darauf zu antworten. Schweigend folgte er dem Alten nach drinnen. Auf einem flachen Tisch standen Schüsseln mit Reis und Gemüse und plötzlich spürte Adrian seinen Hunger auch wieder. Selbst dieses einfache Essen schmeckte jetzt köstlich und Adrian stürzte sich darauf und hörte erst auf zu essen, als er so satt war, dass er sich kaum noch bewegen konnte und sein Magen wieder schmerzte, doch diesmal, weil er einfach zu viel gegessen hatte. Meister Li beobachtete Adrian die ganze Zeit mit einem leichten Kopfschütteln.
»Jetzt es ist eine gute Zeit, auch zu speisen den Geist!«, sagte er und führte seinen jungen Gast in den Raum, wo sich die vielen Schriftrollen befanden. Er nahm eine davon und setzte sich mit Adrian auf den Boden. Dann begann er im Schein einer kleinen Kerze vorzulesen und zu übersetzen, was auf der Schriftrolle stand. Doch Adrian war so satt und müde, dass es ihm unmöglich war, dem Lehrmeister zu folgen und schon nach wenigen Minuten fielen ihm die Augen zu. Meister Li, der das natürlich bemerkte, unterbrach wieder kopfschüttelnd seinen Vortrag, verließ den Raum und ließ Adrian einfach schlafen.
Die kommenden Tage verliefen alle gleich. Schon früh am Morgen, als es noch dunkel war, wurde Adrian von dem Einsiedler geweckt. Nach einem bescheidenen Essen saßen sie neben der eigenartigen Wasserschale und meditierten für einige Stunden, dann las der Meister etwas aus den Schriftrollen vor und erklärte es Adrian. Danach meditierten sie wieder und es folgte eine weitere Lektion und so weiter bis zum Abend. Es dauerte einige Zeit, bis sich Adrian an diesen neuen Tagesablauf gewöhnt hatte. Vor allem dieses sinnlose Herumsitzen, was der alte Meister als Meditation bezeichnete, war so langweilig, dass er jedes Mal am liebsten weggelaufen wäre. Aber er konnte ja nirgends hin und er hatte sein Wort gegeben, nicht wieder allein in den Kuppelsaal zu gehen, bevor nicht Meister Li sagen würde, dass er bereit sei.
Stück für Stück gelang es Adrian mit der Zeit aber doch, sich von seinen Gedanken frei zu machen und sich zu öffnen für die Dinge, die Meister Li versuchte, ihm beizubringen. Und schon bald eröffnete sich ihm eine völlig neue Dimension. Adrian lernte, seine Gedanken so zu konzentrieren, dass er mit geschlossenen Augen Dinge wahrnehmen konnte, die sich in dem Raum befanden. Während des Trainings saß er mit verbundenen Augen da und Meister Li holte aus dem Nachbarraum verschiedene Gegenstände und legte sie irgendwo hin. Und tatsächlich gelang es Adrian nach einigen Tagen Übung, dass er sie richtig erkannte, ohne sie mit seinen Augen zu sehen.
Doch kaum hatte er das geschafft, machte der alte Lehrmeister die Aufgabe schwerer. Anstelle eines einzelnen Gegenstandes verteilte er gleich mehrere im Raum. Doch auch das meisterte Adrian bereits nach recht kurzer Zeit, so dass Wan Li die nächste Stufe beginnen wollte.
»Sehr gut du hast gelernt zu sehen mit deinen inneren Augen die Dinge um dich herum. Nun du musst lernen zu sehen durch die Wand!«
»Wie? Ich soll lernen, durch eine Wand zu sehen?«, fragte Adrian überrascht.
»Erlernen du kannst nur, was du auch glaubst, lernen zu können. Viele Dinge, von denen du denkst, dass sie sind unmöglich, sind nur deshalb unmöglich, weil du denkst so.«
Adrian schüttelte seinen Kopf. Das war wieder etwas zu durcheinander für ihn. Deshalb wiederholte er es noch
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