Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
Abendblatt oder Nachtexpreß

    Zur Straße hin machte das Abendblatt-Hochhaus mit seinen zwölf Stockwerken durchaus den Eindruck, als habe man in den Büros für heute Schluß gemacht. Und so verhielt es sich auch. Dafür war bei den Rotationsmaschinen im Erdgeschoß und in dem großen viereckigen Hof hinter dem Gebäude der Teufel los.
    Auf Fließbändern schoben sich die Pakete mit den druckfeuchten Zeitungen ins Freie. Dort warteten bereits die roten Abendblatt-Lieferwagen, rollten heran, wurden beladen und fuhren los.
    Auch die rund fünfzig Jungen drüben an der Ausgaberampe brannten darauf, endlich loszufahren. Sie hatten alle Fahrräder, deren Gepäckständer mit Zeitungen vollgepackt waren.
    Alibaba stand in seinen Blue jeans breitbeinig neben dem Fließband auf der Rampe. Weshalb der Rothaarige von den Jungen ausgerechnet Alibaba genannt wurde, bleibt wohl für immer ein Geheimnis.
    Es war vier Minuten nach sieben. Also genau zwölf Minuten später als gestern.
    „Mozart!“ brüllte Alibaba. Er mußte brüllen, denn das Stampfen der Rotationsmaschinen war bis ins Freie zu hören.
    Ein schmaler, schlanker Junge meldete sich. Natürlich hieß er nicht Mozart, sondern Klaus Verhoven. Zwei Zeitungspakete flogen nacheinander in seine Richtung.
    „Blacky!“
    Das galt dem schlacksigen Negerjungen, der ziemlich weit hinten neben seinem Fahrrad stand und in Wirklichkeit Sam hieß.
    Alibaba holte erst mit Schwung aus, bevor er jetzt die Pakete mit den gebündelten Zeitungen abschoß. Es waren zehn oder zwölf Meter von ihm bis zu dem Schwarzen. Aber er traf mitten ins Ziel, dem Negerjungen haarscharf vor die Brust. Sam wurde regelrecht weich in den Knien. Es war ja auch nicht viel dran an ihm.
    „Casanova!“
    Jetzt war ein Junge gemeint, der beinahe genauso groß und breit wie Alibaba war. Er hatte eine ziemlich auffallende Wel-le im Haar, und seinen Spitznamen verdankte er wohl der Tatsache, daß er so ziemlich jede Woche mit einer neuen Freundin renommierte. Das war vorerst das letzte Paket gewesen. Das Fließband war jetzt leer und wurde von irgend jemand abgeschaltet.
    Alibaba zog hörbar Luft durch die Nase und schwang sich von der Ausgaberampe. Sein rotes Haar klebte ihm auf der Stirn. Dabei ging der Rummel jetzt erst los! Auch sein Fahrrad war inzwischen mit einem hohen Stapel von Zeitungspaketen beladen worden. Vor ihm schob er sich in den Sattel, hob seine linke Hand.
    „Dalli, meine Herren!“ Dabei trat er in die Pedale und preschte los. Nicht ohne den Toreromarsch aus „Carmen“ zu pfeifen. Wie jeden Abend. Das gehörte dazu.
    Die ganze Meute setzte sich in Bewegung. Der Pförtner an der Ausfahrt sorgte für freie Bahn, als er sah, daß sie auf ihn zukamen. Wie ein Hornissenschwarm ging es mit Fahrrädern und Zeitungen vom Abendblatt-Hof in die breite Straße der Stadt zu.
    Alibaba hielt mit einem guten Meter Vorsprung die Spitze. Am Telefunkengebäude vorbei ging es die Hafenchaussee hinunter und über die Bogenbrücke. Hinter ihr, wo sich die Hauptgeschäftsstraße mit dem Fahrdamm kreuzt, stand die Verkehrsampel auf Rot. Aber Wachtmeister Biller, der hier jeden Abend Dienst tat, wußte Bescheid. Er hatte die Horde schon gesehen, als sie von drüben zur Brücke eingebogen war. Und als die Jungen jetzt in unvermindertem Tempo auf ihn zugeschossen kamen, schaltete er auf Grün.
    Alibaba tippte grinsend und beinahe kollegial an den Schild seiner Mütze. Dabei flog, so im Vorbeifahren, ein zusammengefaltetes Exemplar des heutigen Abendblattes durch die Luft, und der Polizeibeamte grüßte im gleichen Augenblick ebenfalls grinsend zurück.
    Auf diese Weise bekam Wachtmeister Biller allabendlich als erster die neueste Ausgabe des Abendblattes. Immerhin als erster in einer Millionenstadt. Das war eine schmeichelhafte und imponierende Bevorzugung. Dafür konnte man schon mal den Schalthebel der Verkehrsampel etwas schneller auf Grün stellen. Etwas schneller, als es bei dem Verkehr um diese Zeit eigentlich sein müßte.
    Daß Alibaba diese Abmachung mit dem Verkehrspolizisten zustande gebracht hatte, war schon eine gute und runde Leistung. Dabei ging diese Absprache mit Wachtmeister Biller in Wirklichkeit eine ganze Ecke weiter. Sie hatte sozusagen noch eine Rückseite.
    Da gab es nämlich auch die Ausfahrer des „Nachtexpreß“. Auch so etwa fünfzig Mann. Ebenfalls alle auf Fahrrädern.
    Sie mit der auf „Rot“ gestellten Verkehrsampel möglichst lange aufzuhalten, war zwischen Alibaba und

Weitere Kostenlose Bücher