Das Bett
hartes Ei auf dem Teller sein, wer von euch sich aber auf ein hartes gefreut hat, der soll sich vor einem zerlaufenen ekeln. Wem vor Eiern übel wird, dem soll sein Nachbar noch eines antragen, und wer sich nach einem weiteren verzehrt, der soll glotzend auf seinem Speichel herumkauen. Wem sein Ei nicht schmeckt, den verachte ich, wem es aber schmeckt, den will ich mit meinem Haß verfolgen.« Als die anderen Eichhörnchen das hörten, platzten sie fast vor Ärger und Entzücken, denn so sehr die Verwünschungen ihres Bruders die Kraft besaßen, die Wirklichkeit zu verwandeln und ihre Spiegeleier ungenießbar zu machen, so sehr bereitete es ihnen Freude, das siebente in solchem Grimm zu erleben. »Sooft ich ein Spiegelei esse, will ich mich an deine bittere Galle erinnern«, rief das erste. »Sooft ich ein Spiegelei esse, will ich mich freuen, daß ich euch nie wiedersehe«, rief das zweite. »Sooft ich ein solches esse, will ich die tote Großmutter hassen und euch, daß wir sie so spät umgebracht haben«, rief das dritte. »Sooft ich ein Spiegelei esse, sollt ihr anderen keines haben und hungern und dursten«, rief das vierte. »Sooft ich ein Spiegelei esse, will ich mir euren Tod vorstellen, bis daß er eintritt«, rief das fünfte. »Sooft ich eines esse, will ich lachen und Sachen machen, von denen ihr hören sollt«, rief das sechste. Das siebente rief: »Sooft ich ein Spiegelei essen werde, will ich nicht aufhören, bis ich es |16| ganz und gar verschlungen habe, und wenn ich die ganze Welt retten könnte, so ich nur innehielte, ich würde doch nicht innehalten.« Als es das gesagt hatte, da wurde der Himmel schwarz. Die Wolken teilten sich, und ein Blitz sauste auf die Erde, schlug das Dach des Häuschens entzwei, fuhr mitten in das Zimmer, wo die sieben Eichhörnchen tafelten, zerstörte das ganze Haus und senkte die bösen Gesellen tief in die Erde, wo schon die tote Großmutter lag. Das Volk von Ephesus, dem die rauchgeschwärzten Trümmer des Häuschens an der Stadtmauer nicht geheuer waren, veranstaltete mit seinen Priestern Prozessionen an den bösen Ort, und welch ein Schrecken überkam die Bürger, als sich bei den ersten Tropfen geweihten Wassers, die auf den unheiligen Boden fielen, die Erde öffnete und in einer Höhle die sieben toten Eichhörnchen in den entsetzlichsten Verrenkungen, wie sie das strafende Feuer eben angetroffen hatte, allen Augen sichtbar wurden.
Möglicherweise waren sie damals schon ausgestopft worden. Obwohl ihr Anblick auch dem ahnungslosen Betrachter heilsame Schauder hervorrufen mußte, war es eine richtige Entscheidung gewesen, den Glaskasten zwar allsonntäglich zu zeigen, aber ihn doch nicht gleich in der Kirche aufzustellen, weil die große Anzahl der Bösewichter das rechte Gleichgewicht mit den Erlösten wohl gestört hätte.
Nicht jeder aber nutzte die Zeit, um Lehren aus dem Anblick der Eichhörnchen zu ziehen. Meine Mutter und mein Vater zum Beispiel kamen aus der Gaststube, wo sie Kuchen gegessen hatten, und betrachteten die sieben Tiere mit spöttischem Lächeln. Sie setzten sich dann völlig unbekümmert in ihr Auto, fragten mich, ob ich die Eichhörnchen recht schön gefunden hätte, setzten die großen Tüten voll gesammelter Pilze und Maronen neben sich auf den Boden und schüttelten ihre Arme, die leicht geworden waren von der Sünden Last.
Der Monsignore, bei dem meine Mutter beichtete, hatte ein köstlich gepflegtes langes Schnurrbarthaar, das durch das Gitter hindurch die Pönitenten in der Nase kitzelte, wenn er sie über die Eigenheiten ihrer Sünden ausforschte. Seine spitzen Ohren |17| standen in die Höhe und waren zuweilen das einzige, was von ihm im Dunkel seines verhängten Gelasses zu erkennen war, wenn sich sein schwarzer Kopf langsam bewegte und ein fast bis zur Unsichtbarkeit gefilterter Lichtstrahl seinen Umriß mit einer fahl leuchtenden Aura umgab. Auch das weiße Tuch, auf das er seine Wange stützte, hatte eine kleine Leuchtkraft, ein mattes Phosphoreszieren, das den Hintergrund bildete zu der rosa Kralle, mit der er das Tuch festhielt. Meine Mutter schien in die Eigenheiten des Prälaten schon lange eingeweiht.
»Der Dichter!« rief der Bischof aus, als meine Mutter ihren Beichtvater erwähnte, »eine ungewöhnliche Begabung. Nun, jetzt ist er alt, den ›Hauskaplan Seiner Heiligkeit‹ kann ihm keiner nehmen, da werden wir ihm bald, ohne uns etwas vorzuwerfen, einen Ruhestand in Würde gönnen dürfen.«
Wenn aus diesen Worten
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