Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
mit sich zurück. Das wilde Wasser verwüstete unsere Heimat, unser Leben, unsere Gedanken.
Uns erreichte das Wasser nicht, aber es schlug so heftig gegen die Höhen, dass wir dann doch zurückwichen. Es nahm einen großen Teil des erhöhten Landes mit sich und die schlammigen Massen erdrückten endgültig, was von unserer Siedlung übrig war.
Es dauerte eine Weile, bis es vorbei war, wenn man überhaupt sagen kann, dass es jemals endete. Nachdem die Wassermassen sich mehr oder weniger beruhigt hatten, brauchten wir allerdings noch etwas mehr, um uns zu beruhigen. Wir saßen noch lange auf der Anhöhe und starrten herunter. Schließlich suchten wir nach Überlebenden in Schlamm und Trümmern, aber wir fanden keine, wir fanden nur Zerstörung und Tod. Wir wanderten die Küste herunter bis zur Siedlung der Sippe, bei der meine Tochter lebte und noch weiter, immer weiter, doch überall bot sich das gleiche Bild. Niemand sprach ein Wort, wir aßen kaum, wir schliefen wenig, wir hofften immer, irgendwo irgendjemanden oder irgendetwas zu finden, aber die Hoffnung schwand jeden Tag mehr und irgendwann wurde uns bewusst, dass wir die Einzigen waren. Die letzten Überlebenden des wilden Wassers.
Wir verließen diesen unheilbringenden Ort, zogen uns auf das höhere Land zurück und blieben erst einmal dort, um unsere Gedanken zu ordnen. Wir jagten wieder und sprachen vorsichtig miteinander - über das, was passiert war und über das, was nun zu tun war. Wir beschlossen, fortzugehen, weit weg vom Wasser und von der Erinnerung und andere Menschen zu suchen. Allein durch uns konnte die Sippe nicht weiter existieren, das wussten wir, das wissen wir immer noch, also gingen wir auf die Suche nach einer Sippe, die uns aufnehmen, uns ein neues Leben geben würde. Auch wir haben einiges zu geben, wir sind gute Jäger wir bauen stabile Schwimmbäume und starke Jagdwaffen, aber es war nicht so einfach wie wir dachten. Viele Tage durchstreiften wir das Land in Richtung der hochstehenden Sonne und trafen niemanden, manchmal nahmen wir schon an, dass auch alle anderen Menschen von Katastrophen heimgesucht worden waren.
Und Koor wurde immer schwieriger, sein Geist schien seinen Körper Stück für Stück zu verlassen. Wir alle hatten unsere Familien verloren, wir alle trauerten und halfen uns gegenseitig, den Schmerz zu überwinden, aber Koor hatte es am schlimmsten getroffen. Er konnte nicht verwinden, dass sein Sohn, der gerade das Licht der Welt erblickt hatte, sofort in die Dunkelheit des Wassers gerissen worden war, ihm entrissen, kaum dass er ihn gesehen hatte. Er redete manchmal wirr vor sich hin, schrie oft im Schlaf, wenn er denn überhaupt schlief, er lief Auf und Ab oder saß völlig bewegungslos und schweigend da und starrte in den Himmel.
Eines Tages überquerten wir einen großen Fluss, wir waren lange an seinem Ufer entlang gewandert, um eine Furt zu finden, denn er war wirklich breit und die Strömung stark. Wir hatten eine flachere Stelle mit einigen größeren Felsen gefunden und zudem einen Stamm von einem gefallenen Baum vom Ufer bis zum ersten Stein legen können. Man musste natürlich trotzdem vorsichtig sein und vor jeder Bewegung einen sicheren festen Halt suchen, naja, ich denke, ihr wisst, wie das geht. Suur ging als erster, dann folgte Lania, hinter ihr ging Maar, beide passten auf das Mädchen auf, hinter Maar überquerte Koor den Fluss und am Schluss kam ich. Es ging alles sehr gut, aber auf halber Strecke blieb Koor plötzlich stehen und sah in den Himmel hinauf. Er sagte etwas wie "Sie rufen mich." und hob die Arme nach oben. "Koor, was tust du?" rief ich. "Halt dich fest. Koor!" Er sah mich kurz an, schien mich aber nicht wirklich wahrzunehmen, er lächelte, "Ich gehe zu meiner Familie." sagte er. Ich wollte mit einer Hand nach ihm greifen, doch bevor ich ihn erreichen konnte, breitete er die Arme aus und ließ sich nach hinten fallen. Es platschte und der Fluss nahm ihn mit sich, entsetzt schauten wir ihm nach, er wurde schnell kleiner und war dann verschwunden.
Nach zwei weiteren Tagen, in denen wir nun auch noch das Erlebnis mit Koor verarbeiten mussten und die wachsende Angst, dass es keine Hoffnung für uns gab, trafen wir das erste Mal auf andere Menschen. Es war wie eine Offenbarung, wir waren außer uns vor Freude, voller Neugier und Tatendrang ... leider ging es der fremden Sippe nicht so. Oh, sie waren uns nicht feindlich gesinnt, sie bedrohten uns nicht, sie flüchteten auch nicht vor uns,
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