Das Dante-Ritual (German Edition)
weil Täter und Opfer mit dem Hochschulbetrieb verbunden waren.“ Er hob eine Hand, um Rensing, der zu einer Entgegnung ansetzen wollte, gar nicht erst zu Wort kommen zu lassen. „Es ist genauso gut denkbar, dass die Verbindung zwischen Pape und Laurenz auf einer privaten Ebene bestand. Ein Sportverein vielleicht. Oder ein gemeinsamer Freundeskreis. Vielleicht hat es vor der Tat gar keinen Kontakt gegeben. Bedenken Sie nur mal den Altersunterschied. Dr. Pape war Mitte vierzig. Frank Laurenz dürfte keine dreißig gewesen sein.“
„Ich habe mit keinem Wort -“
„Und was das Ansehen unserer Institution betrifft“, erstickte Beekmann Rensings Protestversuch, „so hat die Öffentlichkeit die Wilhelms-Universität bislang in der Opferrolle gesehen - schließlich war Dr. Pape, vergessen wir das nicht, Chirurg am Universitätsklinikum. Der Umstand, dass ein Student ihn ermordet hat, wird dieses Bild zwangsläufig ins Negative kippen lassen. Seien Sie versichert, Herr Rensing, wir werden einen Imageschaden erleiden.“
„Sie scheinen überzeugt zu sein, dass Frank Laurenz den Mord an Pape begangen hat“, schaltete Lohoff sich wieder ein. „Stützen Sie sich dabei einzig auf die Videoaufnahme seines Suizids? Dieses fragwürdige, völlig zusammenhanglose Vermächtnis eines Lebensmüden kann doch wohl kaum ein hinreichender Grund sein, die polizeilichen Ermittlungen einzustellen.“
„Morgen früh um zehn wird hier im Präsidium eine Pressekonferenz stattfinden“, entgegnete Rensing. „Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Details der Ermittlungsergebnisse offenlege. Aber in der Hinsicht kann ich Sie beruhigen, Herr Lohoff. Die Beweislage beruht nur zum Teil auf dem im Video zu sehenden Geständnis. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“
„Gestatten Sie mir eine andere Frage“, sagte Professor Beekmann und verschränkte die Arme vor seinem fülligen Bauch. „Wer ist dieser Phil, den Frank Laurenz an mehreren Stellen des Videos in der zweiten Person anspricht?“
Frühstück mit Kater
Ich öffnete die Augen zu Schlitzen. Von der Sofakante höhnte mir das Grinsen einer Armee von Harlekinen entgegen. Wo bin ich? , war der erste Gedanke, der in meinem dröhnenden Schädel Form annahm. Was ist passiert?, der zweite. Ich zog mir die Wolldecke über den Kopf und schloss das Tageslicht aus. Irgendwo blubberte eine Kaffeemaschine. Widerwillig fummelte ich die Decke bis zur Nasenspitze herunter und sah mich blinzelnd im Raum um. Kandinski-Drucke an ockerfarbenen Wänden. Ikea-Mobiliar. Vor den Fenstern blütenweiße Vorhänge.
Adrett und langweilig.
Bemüht, den Kopf nicht mehr als nötig zu bewegen, quälte ich mich vom Sofa hoch und angelte das in Kneipenmief geräucherte T-Shirt mit „The Strokes“-Aufdruck unter dem Couchtisch hervor. Als ich meine Levis anzog, legte ich mir beinahe die Karten. Barfuß wankte ich zur Toilette.
Obwohl ich nur pinkeln musste, setzte ich mich artig hin. Spritzer auf der Klobrille, und ich könnte sofort meine Sachen packen. Ich griff nach dem Fa-Deo, sprühte mich ein und kramte nach meiner Zahnbürste, bis mir einfiel, dass ich sie wohl kaum finden würde. Ich klatschte mir Wasser ins Gesicht und erschrak vor meinem Spiegelbild. Die klassische Säuferfratze. Dreitagebart, die streichholzlangen Haare strohig vom Färben mit Wasserstoffperoxyd, die braunen Augen glasig. Selbst die zwei Platinringe in meinem rechten Ohr schienen jeglichen Glanz verloren zu haben. Ich ließ mich auf den Badewannenrand sinken und starrte aus dem kleinen Erkerfenster auf die Regenwolken, die wie Wattetupfer vorbeischwebten.
Dann vergrub ich mein Gesicht in den Händen und heulte wie ein Kind. Versuchte gar nicht erst, dagegen anzukämpfen. Ließ es einfach geschehen, bis ein Klopfen an der Tür mich zurückholte.
„Philip? Bist du okay?“
Ich atmete zweimal tief durch, bevor ich antwortete. „Ja, ja. Ich bin in Ordnung.“
Fünf Minuten später betrat ich die Küche. Eva saß am Tisch und studierte den Kulturteil der Westfälischen Nachrichten. Sie trug ihren pinkfarbenen Frotteebademantel, den ich schon immer als ziemlich unerotisch empfunden hatte. Heute war es mir scheißegal.
„Wie fühlst du dich?“ Sie sah von ihrer Lektüre auf und verfolgte meine unbeholfenen Bewegungen.
Ich grunzte zur Antwort und schlurfte zur Küchenzeile rüber. Einem Automatismus gehorchend, griff ich mir die mit Ernie und Bert bedruckte Tasse aus dem mittleren
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