Das Dekameron
mit ihren Kleidern von grobem Romagna-Tuch in dasselbe Haus zurück, das sie kurz zuvor im Hemde verlassen hatte, fing an, die Gemächer auszukehren und in Ordnung zu bringen, die Wandteppiche aufzuhängen, über die Bänke in den Sälen Decken auszubreiten, die Küche zu bestellen und nicht anders an alles Hand zu legen, als wäre sie eine geringe Magd des Hauses. Auch gönnte sie sich nicht eher Ruhe, als bis sie alles so besorgt und ausgerichtet hatte, wie es sich geziemte. Nachdem sie darauf in Gualtieris Namen alle Damen der Umgegend hatte einladen lassen, erwartete sie das Fest. Als der Hochzeitstag gekommen war, empfing sie, wie ärmliche Kleider sie auch trug, doch mit dem Mute und Anstand einer Edelfrau und mit heiterem Gesichte alle Damen, die zur Hochzeit herbeikamen.
Gualtieri, dessen Kinder in Bologna sorgfältig von seiner Verwandten erzogen worden, die in das Haus der Grafen von Panago vermählt war, hatte inzwischen, als die Tochter zwölf Jahre alt und das schönste Geschöpf war, das man je gesehen hatte, der Sohn aber sechs Jahre zählte, nach Bologna geschickt und seinen Verwandten gebeten, daß es ihm gefalle, mit eben dieser Tochter und dem Söhnlein nach Saluzzo zu kommen. Auch hatte er ihn ersucht, für eine schöne und ehrenvolle Begleitung Sorge zu tragen und jedermann zu sagen, daß er die Jungfrau dem Gualtieri als Gemahlin zuführe, ohne irgendwen erraten zu lassen, wer sie sei.
Der edle Mann hatte gehandelt, wie der Markgraf ihn gebeten, und gelangte, nachdem er sich auf den Weg gemacht, in einigen Tagen mit der Jungfrau, ihrem Bruder und einem stattlichen Gefolge um die Stunde des Imbisses nach Saluzzo, wo er alle Einheimischen und viele Nachbarn aus der Umgegend versammelt fand, um Gualtieris neue Gemahlin zu erwarten. Als diese von den Damen empfangen worden und in den Saal gelangt war, wo die Tische gedeckt waren, trat Griselda, so wie sie war, ihr freudig entgegen und sprach: »Willkommen sei meine Gebieterin.«
Die Damen, welche Gualtieri vielfach, aber umsonst gebeten hatten, daß er entweder Griselda in ihrer Kammer bleiben lassen oder ihr eines von den Kleidern leihen möchte, welche einst die ihrigen gewesen waren, damit sie nicht in solchem Gewand vor seinen fremden Gästen erschiene, wurden nun zu den Tischen geführt, und man fing an, sie zu bedienen. Von jedermann wurde die Jungfrau betrachtet, und alle Welt sagte, daß Gualtieri einen guten Tausch gemacht habe. Vor allem aber lobte Griselda sowohl sie als auch ihren kleinen Bruder.
Gualtieri schien es nun, als habe er von der Geduld seiner Gattin so viele Proben gesehen, wie er nur irgend wünschte. Da er wahrnahm, daß der Wechsel der Dinge sie nicht im mindesten verändere, obwohl er gewiß war, daß dies nicht aus geistiger Beschränktheit geschehe, denn er hatte sie als äußerst klug erkannt, glaubte er, daß es nun an der Zeit sei, sie von den bitteren Gefühlen zu erlösen, welche sie, wie er wohl erriet, unter ihrem unveränderten Antlitz verborgen hielt. Deshalb ließ er sie in Gegenwart aller zu sich rufen und sprach lächelnd: »Nun, was hältst du von unserer neuen Gemahlin?«
»Mein Gebieter«, antwortete Griselda, »ich halte viel Gutes von ihr, und ist sie so verständig, wie sie schön ist, was ich glaube, so zweifle ich durchaus nicht, daß Ihr als der zufriedenste Herr von der Welt mit ihr leben werdet.
Doch ich beschwöre Euch, soviel ich vermag, erspart ihrem Herzen die Stiche, welche die andere, die einst Euer war, von Euch erhielt. Denn ich glaube kaum, daß sie dieselben zu ertragen vermöchte, teils weil sie jünger ist, teils weil sie in einem bequemen Leben aufgewachsen ist, während jene von klein auf in beständigen Mühen gelebt hatte.«
Als Gualtieri sah, daß sie fest daran glaubte, jene solle seine Gattin werden, und dessenungeachtet in allen Stücken nur gut von ihr sprach, befahl er ihr, sich neben ihn zu setzen und sprach: »Griselda, es ist endlich Zeit, daß du die Frucht deiner langen Geduld genießest und diejenigen, die mich für grausam, ungerecht und vernunftlos erachtet haben, nun erkennen, daß ich alles, was ich auch unternahm, nur für einen vorausbestimmten Zweck tat, nämlich dich zu lehren, Frau zu sein, sie aber, eine solche zu wählen und zu behandeln, und mir selbst, solange ich mit dir zu leben hätte, beständige Ruhe zu bereiten. Als ich mich entschloß, eine Frau zu nehmen, hatte ich große Furcht, daß mir dies nicht gelänge, und dies war der Grund, weshalb
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