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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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auf.
    „Hier“, sagte die und hielt Vera ein Glas hin. Und dann sagte sie etwas, das Veras Leben für immer verändern sollte:
     
    „Du musst hier für ein paar Tage raus! Geh ins Reisebüro um die Ecke und such dir einen Ort, wohin du ein, zwei Wochen lang flüchten kannst. Hier fällt dir die Decke auf den Kopf!“
     
    Zwei Stunden und drei gehaltvolle Wodka-Orange später war Vera so weit herunter gedimmt, dass Elke sie guten Gewissens ins Bett verfrachten konnte.
    „Schlaf jetzt“, sagte sie, bevor sie das Licht ausknipste. „Morgen sieht vielleicht alles schon wieder ein wenig besser aus. Und denk an das, was ich dir gesagt habe, von wegen Luftveränderung und so!“
     
    Vera schlief - trotz der geballten Wodka-Dosis - nicht besonders gut und genau so fühlte sie sich auch am nächsten Morgen.
    Aus dem Badspiegel blickte ihr ein Wesen entgegen, das sie zwar schon ein paar Mal gesehen hatte, aber dennoch nicht leiden konnte, weil dieses Wesen stets ein Indiz für einen wie auch immer gearteten Absturz am Vorabend war: zerzaust, nicht abgeschminkt, gerötete Augen, das ganze Programm eben.
    Während sich unter der abwechselnd heißen und kalten Dusche das Wesen allmählich wieder in Vera zurückverwandelte, kreisten ihre Gedanken um das, was Elke gesagt hatte.
    „Du musst hier für ein paar Tage raus! Such dir einen Ort, wohin du ein, zwei Wochen lang flüchten kannst!“
    Sie beschloss, sich im Reisebüro wenigstens einmal zu informieren. Das kostete nichts und sie brauchte Ablenkung.
     
    Zwei Stunden später kam sie in ihre Wohnung zurück, beladen mit einem Packen Reiseprospekte, die ihr alle in Hochglanz und vielfarbig die schönsten Urlaubsziele anpriesen. Sie brühte sich eine Riesenkanne voll Tee auf, nistete sich auf der Couch ein und vergrub sich in die Angebote.
    Nach weiteren zwei Stunden war sie sich schon mal darüber im Klaren, dass Ballermann, Ibiza, Rimini & Co. nicht in Frage kämen. Zu viele Menschen, zu viel Betrieb, zu viel aufgesetztes Entertainment.
    Im Verlauf des frühen Nachmittags kristallisierte sich dann aus dem Prospektstapel das östliche Mittelmeer, dann Griechenland, die Ägäis, der Dodekanes und letztendlich Rhodos heraus.
    Am späten Nachmittag war sie dann wieder im Reisebüro, wo sie eine zehntägige „Flugreise nach Rhodos, Aufenthalt in einem zentral gelegenen, familiär geführten 3-Sterne-Hotel mit landestypischem Komfort, Halbpension“ buchte.
    Heute war Samstag, Abflugtag war Dienstag. Genügend Zeit, um zu packen, ihre kleine aber feine und gut gehende Boutique zuzusperren und die Nachbarin zu bitten, ab und zu den Briefkasten zu leeren und nach den Pflanzen zu sehen.
     
    Als sie vom Reisebüro in ihre Wohnung zurückkam und die leere Futterschüssel in der Küche sah, wurde ihr mit einem Schlag bewusst, dass sie seit mindestens sechs Stunden nicht mehr an Saphir gedacht hatte und das heulende Elend überkam sie wieder.
     
    Elke hatte Recht. Sie musste hier für ein paar Tage raus!
     

 
    ΦΦ ΦΦ
     
    Es waren harte Zeiten, schlechte Zeiten.
    Vor allem für einen kleinen Jungen, dessen Mutter sich nicht um ihn kümmern konnte oder wollte, weil sie noch drei weitere Schreihälse am Rockzipfel hängen hatte und dessen Vater sich eines Tages aus dem Staub gemacht hatte.
    Er war noch keine sieben Jahre alt gewesen, als ihn seine Mutter aus dem Haus geworfen und erklärt hatte, dass sie ihn geboren und gestillt habe. Für den Rest seines Lebens solle er nun sehen, wie er allein zurechtkäme.
    So lernte Naf’nur schon sehr früh Hunger, Durst, Kälte und die Gleichgültigkeit der Mitmenschen als ständige Wegbegleiter kennen. Er hatte sich mit Betteleien und kleinen Diebstählen, sowie ungesunden oder gefährlichen, miserabel bezahlten Gelegenheitsarbeiten bei Gerbern, Steinmetzen und Totengräbern mit Mühe und Not über Wasser gehalten.
    Dann hatte er es gut getroffen: Er war Gehilfe des Hausmeisters eines Bordells in Kairo geworden. Er musste zwar die niedrigsten und ekligsten Arbeiten erledigen, aber er hatte zum ersten Mal wieder ein Dach über dem Kopf zum Schlafen, wenn es auch nur ein Bretterverschlag im Hinterhof dieses zweitklassigen Etablissements war.
    Die dortigen Mädchen mochten ihn und steckten ihm ab und zu eine Münze oder eine Kleinigkeit zum Essen zu.
    Naf’nur konnte weder lesen noch schreiben, aber er war ein hellwacher und kluger Kopf, in dem für Flausen und Kindereien kein Platz war. Mit seinen zwölf Jahren hatte er schon zu viel

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