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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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wahr?
    Irgendwo in dieser Menge.
    1017.
    Oh nein.
    »Ich würde sagen, ›oh nein‹ trifft den Nagel auf den Kopf«, ruft der Bürgermeister zu mir herauf. »Ich habe ihn am Leben gelassen, damit du ihn findest. Aber obwohl du eine besondere Beziehung zu ihm hattest, mochte er dich nicht besonders. Egal wie sehr du dich bemüht hast, ihm zu helfen. Dein Gesicht ist für ihn das Gesicht seiner Peiniger, das Gesicht, das nun alle seine Brüder und Schwestern kennen.« Ich höre, wie er leise lacht. »Ich möchte jetzt wirklich nicht in deiner Haut stecken.«
    Ich suche den Horizont nach allen Richtungen ab. Ich drehe mich um die eigene Achse. Eine Armee steht im Süden, eine im Osten, und jetzt kommt noch eine aus dem Westen heranmarschiert.
    »Und wir sitzen hier«, sagt der Bürgermeister ganz gelassen. »Zwischen allen Fronten.« Er reibt sich die Nase an der Schulter. »Ich frage mich, was diese armen Menschen in dem Erkundungsschiff wohl denken werden.«
    Nein.
    Nein.
    Ich drehe mich noch einmal um die eigene Achse, so als könnte ich sie sehen, wie sie kommen, kommen, um mich zu holen.
    Meine Gedanken überschlagen sich.
    Was soll ich tun?
    Was soll ich nur tun?
    Der Bürgermeister pfeift vor sich hin, als hätte er alle Zeit der Welt.
    Und irgendwo dort draußen ist Viola.
    Oh Gott, irgendwo dort draußen, mittendrin.
    »Die Armee«, sage ich schließlich. »Die Armee muss sich ihnen entgegenstellen.«
    »In ihrer Freizeit etwa?«, fragt der Bürgermeister und zieht die Augenbrauen hoch. »Wenn sie in ihrem Kampf gegen die Antwort ein paar Minuten Pause machen?«
    »Die Antwort muss uns zur Seite stehen.«
    »Uns?«, fragt der Bürgermeister.
    »Sie muss gemeinsam mit der Armee kämpfen. Sie muss.«
    »Glaubst du wirklich, dass Mistress Coyle mitmacht?« Er lächelt, aber ich sehe, wie seine Beine zucken, wie Kraft ihn durchströmt. »Sie wird eher davon ausgehen, dass sie und die Spackle einen gemeinsamen Feind haben. Merke dir, was ich sage. Sie wird mit ihnen verhandeln wollen.« Er blickt mir wieder in die Augen. »Und wo bleibst du dabei?«
    Ich atme ein und kriege keine Luft und weiß einfach keine Antwort.
    »Und irgendwo da draußen ist Viola, ganz auf sich allein gestellt«, erinnert er mich.
    Das stimmt.
    Sie ist da draußen.
    Und sie kann nicht einmal gehen.
    Oh, Viola, was habe ich dir nur angetan?
    »Und so, wie die Dinge liegen, mein lieber Junge, glaubst du wirklich, dass die Armee ausgerechnet dich zum Anführer haben will?« Er lacht, als wäre dies der dämlichste Witz aller Zeiten. »Glaubst du wirklich, die Soldaten werden ausgerechnet dir zutrauen, sie in die Schlacht zu führen?«
    Das Fernglas vor den Augen, drehe ich mich um mich selbst. Ganz Prentisstown versinkt schon im Chaos. Im Osten brennen Häuser. Menschen rennen durch die Straßen, sie fliehen vor der Antwort, sie fliehen vor der Armee des Bürgermeisters, und jetzt fliehen sie auch noch vor den Spackle. Sie rennen, aber sie haben kein Ziel.
    Das Sirenensignal ertönt wieder, so laut, dass das Glas in manchen Fenstern splittert.
    Ich schaue durch das Fernglas.
    Zwei der gehörnten Riesentiere tragen eine gewaltige, lange Trompete, so groß wie vier Spackle, auf ihrem Rücken, und der größte Spackle, den ich je gesehen habe, stößt hinein.
    Sie sind schon am Fuß des Berges angekommen.
    »Ich denke, jetzt ist es an der Zeit, dass du mir die Fesseln abnimmst«, sagt der Bürgermeister und seine Stimme liegt wie ein leises Brummen in der Luft.
    Ich drehe mich schnell zu ihm um, lege das Gewehr wieder auf ihn an. »Ihr werdet mir nicht noch einmal Euren Willen aufzwingen«, sage ich. »Nicht noch einmal.«
    »Das versuche ich gar nicht«, sagt er. »Aber ich glaube, wir beide wissen, dass es eine gute Idee wäre.«
    Ich zögere.
    »Siehst du, ich habe die Spackle schon einmal besiegt«, fährt er fort. »Die Stadt weiß das. Die Armee weiß das. Ich glaube nicht, dass die Leute so versessen darauf sein werden, mich zum Teufel zu jagen und sich hinter dir zu scharen, vor allem jetzt, da sie wissen, mit wem wir es zu tun haben.«
    Ich sage noch immer nichts.
    »Und auch wenn du mich hintergangen hast, Todd«, sagt er und blickt zu mir auf, »ich möchte dich immer noch an meiner Seite wissen. Ich möchte immer noch, dass du an meiner Seite kämpfst.« Er macht eine Pause. »Gemeinsam können wir diesen Kampf gewinnen.«
    »Ich will diesen Kampf nicht mit Euch gewinnen«, sage ich und ziele auf ihn. »Ich werde Euch

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