Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
1
Seltsamerweise waren es die Eichenbäume, an die Justine Burnelli sich erinnerte, wenn sie an den Tag zurückdachte, an dem Centurion Station erloschen war.
Wie alle anderen in der Gartenkuppel war sie auf die Türen der Sicherheitsbunker zugeeilt, nachdem sie einen Blick über die Schultern geworfen hatte.
Das dichte, smaragdgrüne Gras war von Partyabfällen übersät gewesen, Cocktailhappen waren in den Rasen getreten worden, und zerbrochene Gläser und Teller hatten vibrierend auf dem Boden gezuckt, während die gewaltigen Gravitationswellen in schneller, unerbittlicher Folge über die Station brandeten. Das zaghafte Licht über ihnen, das von den Nebelflecken um den galaktischen Kern herum ausging, war von den dunstigen Notfallkraftfeldern der Kuppel nun zu matten Pastellstreifen verwischt.
Justine spürte, wie sich abermals ihr Gewicht verminderte. Überraschte, fast panische Schreie wurden unter der sich gegen sie drängenden Stationsbelegschaft laut, während sie auf dem orangefarben leuchtenden Fußpfad um Bodenhaftung rangen. Im nächsten Moment ging ein Donnern durch die Kuppel. Der riesige Ast einer zweihundert Jahre alten Eiche war dicht am mächtigen Stamm zerborsten und nach unten gekracht. Wie ein Schwarm aufgescheuchter Schmetterlinge wirbelten die Blätter umher. Dann gab der ganze majestätische Baum nach. Entlang seines Stammes taten sich weitere Risse auf, bevor er langsam in seinen Nachbarn stürzte. Die geschmackvolle kleine Baumhausplattform, auf der vor kaum einer Minute noch die Band gespielt hatte, brach auseinander. Der letzte, flüchtige Eindruck, den Justine von dem Baum erhaschte, waren ein paar rote, aus dem gefällten Giganten hervorschießende Eichhörnchen.
Dann schlossen sich hinter ihr die Malmetall-Türen des Sicherheitsbunkers, und sie fand sich für einen Moment in einer Oase der Stille wieder. Es war ein bizarres Bild, wie sie alle schwer keuchend dastanden, nach wie vor in ihre beste Partygarderobe gekleidet, mit wirren Haaren und Gesichtern voll Angst.
Direkt neben ihr stand Sektionsleiter Trachtenberg. Mit wildem Blick schaute er sich um.
»Sind Sie okay?«, fragte er sie.
Sie nickte stumm, ihrer Stimme nicht ganz vertrauend.
Eine weitere Gravitationswelle jagte durch die Station. Wieder spürte Justine ihr Gewicht geringer werden. Ihr U-Shadow griff auf das Stationsnetz zu, und sie ließ sich die Sensorbilder vom Himmel über ihnen zeigen.
Die DF-Spären der Raiel beschleunigten immer noch auf ihre neuen Positionen innerhalb des Sternensystems zu. Sie vergewisserte sich, dass die Silverbird von den unheimlichen Gravitationswellen, die den DF-Sphären nichts anzuhaben schienen, unbeeinträchtigt war. Der Smartcore des Schiffs teilte ihr mit, dass es direkt über dem staubigen Lavafeld, das als Stationslandefeld diente, seine Position beibehielt.
»Ich habe mich soeben mit unseren Alien-Kollegen beraten«, verkündete Trachtenberg. Er lächelte schief. »Jedenfalls mit denen, die mit uns sprechen. Und wir sind einhellig der Meinung, dass diese Gravitationsverschiebungen jenseits allem liegen, wofür die Sicherheitssysteme konzipiert wurden. Zu meinem Bedauern muss ich daher die sofortige Evakuierung anordnen.«
Ein paar Leute ächzten bestürzt auf.
»Das können Sie nicht machen«, beschwerte sich Graffal Ehasz. »Das hier ist doch exakt der Grund, weswegen wir vor Ort sind. Grundgütiger Ozzie, Mann, denken Sie nur an die Daten, die dieses Ereignis ausspuckt. Die Erkenntnisse, die wir dabei gewinnen könnten, wären ohnegleichen! Wir können uns doch nicht wegen irgendwelcher Sicherheitsauflagen, die irgendein Komitee im Commonwealth verhängt hat, einfach so aus dem Staub machen.«
»Ich verstehe Ihre Einwände«, erwiderte Trachtenberg ruhig. »Sobald sich die Situation ändert, kommen wir wieder zurück. Für den Moment jedoch begeben Sie sich bitte an Bord Ihres bezeichneten Schiffes.«
Justine konnte sehen, dass der Großteil der Belegschaft erleichtert war. Nichtsdestotrotz gingen von Ehasz und einer kleinen Clique von Hardcorewissenschaftlern eine unverkennbare Verstimmung und Feindseligkeit aus. Als sie ihren Geist dem örtlichen Gaiafield öffnete, wurde der Konflikt widerstreitender Emotionen deutlich erkennbar. Doch Ehasz und seine Leute befanden sich nun mal in der Minderheit.
Trachtenberg beugte sich näher zu Justine und fragte leise: »Wird Ihr Schiff mit dieser Sache hier fertig?«
»Oh ja«, versicherte sie ihm.
»Sehr gut, wenn
Weitere Kostenlose Bücher