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Das Ende der Liebe

Das Ende der Liebe

Titel: Das Ende der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hillenkamp
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jetzt: »Ich liebe nicht«. Aus Möglichkeiten und immer noch mehr Möglichkeiten wird Unmöglichkeit. »Ich habe alle Möglichkeiten«, das heißt jetzt: »Ich habe keine«.
    [12] Aus dem totalen Markt wird das Verschwinden des Marktes. Aus der Romantik wird nun, da es unbegrenzte romantische Möglichkeiten gibt, ein Romantikfanatismus.
    Das Äußere, Gesellschaftliche nehmen die Menschen als Inneres, Psychisches wahr. Das unbegrenzte Eigene tritt ihnen als Fremdes entgegen, ihr Selbst als ein Anderer. Die Menschen werden von ihrem eigenen Willen terrorisiert und bezwungen. Aus Freiheit und immer noch mehr Freiheit wird Zwang. So stürzen die Worte in ihr Gegenteil. Nichts bedeutet mehr, was es einst bedeutet hat.
    Wenn Gedanken und Geschichten in diesem Buch sich oftmals aneinanderfügen wie die Szenen eines Films – ohne das Gesagte nochmals zusammenzufassen, den Sinn des jeweiligen Teils für das Ganze zu erklären –, so darum, weil der Lesende Mensch bleiben soll, Erfahrender, nicht mutieren soll zum Allwissenden, Abgeklärten. Auch ein Chaos macht noch einen ordentlichen Eindruck, wenn man nur weit genug davon entfernt ist. Dann ist auch ein Weltuntergang ein liebliches Schauspiel. Statt dessen sei der Lesende hier aufgefordert, die Welt der Nichtliebe zu Fuß zu durchqueren, von einem der hier ausgelegten Steine auf den anderen zu springen, mitten durch den Fluss der Gedanken.
    Dabei wird er sich allein verlassen müssen auf jene unscheinbaren Wörter, die Sätze verbinden (und die zwischen Gefühlen leider fehlen, weshalb Gefühle oft so schwer verständlich sind): ein Infolgedessen , ein Denn oder Weil , ein Und oder Also .
    Wenn das Buch also die durchnummerierte Klarheit der Wissenschaft vermissen lässt, so ist das der Methode zuzuschreiben, nicht dem Willen, rätselhaft, also tief zu erscheinen. Unverständlichkeit, so heißt es, ist ein Vorrecht Gottes.
    [13] In Teil eins des Buches werden Nichtliebesgeschichten erzählt. Es wird berichtet von dem neuen Zeitalter, in dem die Freiheit unendlich wird und umkippt in Zwang; und es werden die Gefühle der freien, also immerzu gezwungenen Menschen beschrieben. Teil zwei untersucht, wie eine Unendlichkeit möglicher Partner entstehen konnte und wie die Menschen mit dieser Unendlichkeit umgehen, vielmehr: nicht umgehen können. In Teil drei wird berichtet, welche Erwartungen die freien Menschen an die Liebe und an einen Geliebten haben – und warum diese Erwartungen sich nicht erfüllen können. Das Schlusskapitel handelt davon, wie die unendliche Liebessuche und das Leben in einer unendlichen Freiheit zwangsläufig münden in die Rückkehr der Vernunftehe.
    Im Epilog scheint eine Hoffnung auf: wie die freien Menschen sich der großen Übertreibung durch einen kleinen Sprung entziehen.

[15] TEIL I
    DIE FREIEN MENSCHEN UND DIE NICHTLIEBE

[17] EINS
    GESCHICHTEN UND VISIONEN
    Das erste Kapitel: in dem die Unmöglichkeit der Liebe nur behauptet und von dieser nur erzählt wird, noch ohne Angabe von Gründen; in dem das Aussterben der Liebe angekündigt wird zu einer Zeit, da die Bedingungen der Liebe die besten aller Zeiten sind; in dem die Nichtliebe als eine Geisteskrankheit beschrieben wird, deren Träger sich nicht durch Irrsinn, sondern durch einen ausgeprägten Wirklichkeitssinn auszeichnen; in dem von einer Stadt erzählt wird, in der die Menschen aufeinander zu fallen, als liege die Stadt auf einer Senkrechten; in dem von Menschen erzählt wird, die trotz einer Partnerschaft weiter nach einem Partner suchen; die immer bis ans Ende ihrer Möglichkeiten gehen; in dem von einer Frau erzählt wird, die ihre »sexuelle Autobiografie« geschrieben hat, von einem jungen Mann, der bereits seine Kapazität erschöpft hat; und von einer nicht mehr ganz so jungen Frau, die ein Mann enttäuscht, weil er nicht weiß, wie der Regisseur Fassbinder mit Vornamen heißt

[18] Man stelle sich vor!
    Die Liebe stirbt aus. Sie verschwindet wie Absolutismus und Sowjetsozialismus, wie die Ohnmachtsanfälle der Frauen, die Hysterie der Massen, das Unbehagen in der Kultur. Mehr noch als andere Phänomene wird die Liebe sich als historisch erweisen. Als Besonderheit, die mit ihren Bedingungen kommt und geht.
    Die Liebe wird wieder sein, was sie einst war. Ausnahme, Seltenheit. Die Liebenden werden wieder, wie Millionäre oder Rollstuhlfahrer, zu einer kleinen Minderheit. Die Mehrheit wird die Ekstasen und Tragödien der Liebe in Filmen und Romanen verfolgen wie die Mehrheit des

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