Feuersteins Ersatzbuch
AUSREDE
Was bisher geschah
Feuersteins Reisen endet damit, dass Feuerstein einen Schrei ausstößt und fragt, ob er nun tot sei.
So was Dummes. Wo doch jeder Leser, der anders als ein Fernsehzuschauer bekanntlich intelligent ist, auf der Stelle erkennt, dass Tote keine Bücher schreiben können. Obwohl: Neulich traf ich Dolly Buster, und wir machten das literarische Doktorspiel: Sie zeigte mir ihr Buch und ich ihr das meine. Dabei fragte sie: »Hast du dein Buch selber geschrieben?« »Natürlich nicht«, habe ich gelogen, denn man will ja nicht altbacken sein, sondern im Trend bleiben. Gleichzeidg ärgerte ich mich, dass ich nicht selber auf diese Idee gekommen war: Warum habe ich mein Buch nicht von jemand anderem schreiben lassen? Dann müsste ich nicht peinlichen Fragen von Dolly Buster ausweichen, sondern könnte in aller Ruhe tot sein. Mit einem Ghostwriter , der diesen Namen auch wirklich verdient.
Damit das klargestellt ist: Weder war ich am Ende von Feuersteins Reisen tot noch bin ich es jetzt — wobei ich unter »jetzt« den Zeitpunkt verstehe, an dem ich das schreibe. Für Sie als Leser ist »jetzt« natürlich JETZT; und in Ihrem jetzigen Jetzt könnte ich tatsächlich schon tot sein. (Verzeihen Sie bitte meine Neugier, aber in diesem Fall würde mich interessieren: Welches Gefühl löst mein Totsein bei Ihnen aus? Nachdenklichkeit? Bestürzung? Einen Hauch von Schmerz? Trauern Sie gar um mich und erwarten Sie, dass ich Sie tröste? Soll ich Ihnen Sachen sagen wie: »Wenigstens hat er endlich Ruhe vor sich selber.« Oder: »Er war alt genug.« Oder einen Witz erzählen, damit Sie auf andere Gedanken kommen? Ich finde, das geht zu weit. Was wollen Sie denn noch alles von mir? Reicht es nicht, wie sehr ich mich schon zum zweiten Mal damit abquäle, ein Buch SELBER zu schreiben?)
Natürlich war mein Todesschrei am Ende von Feuersteins Reisen nichts anderes als der Uralt-Trick aus der Klamottenkiste der Profis: ein Cliffhanger, der den Leuten vor Spannung den Atem aus der Lunge reißen und sie in fieberhafte Erwartung versetzen soll, was nun wohl kommen würde. Im Fernsehen kommt dann gewöhnlich die Werbung — und aus alter Gewohnheit kam diese auch prompt im Buch mit der soeben als dümmlich entlarvten Botschaft: Wer wissen will, ob Feuerstein überlebt hat, müsse sein nächstes Buch kaufen, Feuersteins Reisen, Teil 2, worin der Autor zusätzlich auch noch die Geheimnisse der restlichen fünf Schauplätze seiner Filme enthüllt: Hawaii, Ostafrika, Thailand, Schottland und New York. »Demnächst in diesem Verlag«, lautete der letzte Satz.
So. Und was ist, wenn der Autor keine Lust mehr hat?
Natürlich war es spannend gewesen, die ersten vier Stationen meiner Filmreihe anhand von Skizzen, Fotos und Drehplänen wieder in Erinnerung zu rufen, die Vorbereitungen, die Erwartungen, die wunderbare Welt des Reisens voll abgesagter Flüge, muffiger Hotels und akutem Durchfall. Der Weckruf meist noch vor dem Morgengrauen, damit man auch ja kein Quäntchen Tageslicht vergeudet, der sorgenvolle Blick aus dem Fenster, ob das Wetter stimmt, und die ewige Angst im Nacken, die vierzig Leerkassetten, mit denen wir gekommen waren, könnten beim Rückflug immer noch leer sein. Und dann das gemeinsame Frühstück zur nachtschlafenden Zeit, das den Speisesaal des Hotels in ein klösterliches Refektorium verwandelte: schlaftrunkene, schweigsame Mönche, die sich zum Tagewerk rüsten...
Godehard Wolpers, der Regisseur und Produzent, saß immer schon als Erster da. Nie hatte ich ihn hereinkommen sehen, weshalb ich vermute, dass er die ganze Nacht über schon da gesessen hatte, teils aus Produzentengeiz, um das Zimmer zu sparen, teils aus praktischen Gründen, weil er kein Mensch ist, sondern ein Zombie und deshalb gar kein Zimmer braucht. (Falls Sie das nicht glauben, hier ein weiterer Beweis: Wolpers frühstückt nie und ist trotzdem zwei Meter groß. Das können nur Zombies und bestimmte Röhrenwürmer. Möglich natürlich, dass er ein Röhrenwurm ist, bei Produzenten weiß man nie. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich inzwischen von der naturwissenschaftlichen Variante. Er sieht ja auch aus wie ein Röhrenwurm.)
Erik Theisen, der schweigsame Tonmann und Ex-Friesenkämpfer, ist der Nächste. Er muss noch früher aufstehen als die andern, denn er ist für die Gerätschaft des Tages zuständig, für das Laden der Akkus über Nacht, für frische Batterien, leere Kassetten und das richtige
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